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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Deckel das kunstvolle Logo des japanischen Herstellers. Es war unversehrt nach Tagen des Reisens und Nächten höllischer Einsamkeit. Dem zweiten Bündel entnahm er die anderen Teile. Anschließend transportierte er alles behutsam und Stück für Stück zu einem alten Kiefernholzschreibtisch am anderen Ende des Raums.
    »Später«, versprach er ihr laut. »Hab Geduld, Frau.« Er atmete jetzt leichter, holte einen Radiowecker aus seinem Handgepäck und drehte daran, bis er die Lokalfrequenz des BBC World Service gefunden hatte. Während seiner ganzen Reise hatte er sich über die ergebnislose Suche nach Arnold auf dem Laufenden gehalten. Nachdem Justin den Radiowecker für die nächste Nachrichtensendung gestellt hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf den ungleichmäßigen Haufen von Briefen, Akten, Zeitungsausschnitten, Ausdrucken und Stapeln offenbar amtlicher Unterlagen, die ihm in einem anderen Leben Zuflucht vor der Realität geboten hätten. Aber nicht in dieser Nacht, beim besten Willen nicht. Diese Unterlagen boten vor nichts Zuflucht, weder Lesleys Polizeiakten noch Hams Dokumentation der gebieterischen Anfragen, die Tessa an ihn gerichtet hatte, weder Tessas eigene, ordentlich sortierte Bündel von Briefen, Aufsätzen, Zeitungsausschnitten, pharmazeutischen und medizinischen Texten, Mitteilungen an sich selbst von der Pinnwand in ihrem Arbeitszimmer, noch die fiebrigen Notizen aus dem Krankenhaus, die Rob und Lesley aus ihrem Versteck in Arnold Bluhms Wohnung geborgen hatten. Das Radio hatte sich eingeschaltet. Justin hob den Kopf und lauschte. Von dem vermissten Arnold Bluhm, dem Doktor der Medizin, der im Verdacht stand, Tessa Quayle, die Frau eines britischen Gesandten, ermordet zu haben, hatte der Nachrichtensprecher wieder einmal nichts zu berichten. Als die Andacht vorbei war, grub Justin in Tessas Papieren, bis er den Gegenstand gefunden hatte, den er während seiner gesamten Nachforschungen unbedingt hatte bei sich haben wollen. Tessa hatte ihn aus dem Krankenhaus mitgebracht – das Einzige , was sie von Wanzas Sachen zurückgelassen haben . Sie hatte ihn aus einem ungeleerten Papierkorb neben Wanzas verlassenem Bett gerettet, und nach ihrer Rückkehr lag er tage- und nächtelang wie ein Mahnmal auf dem Schreibtisch in ihrem Arbeitszimmer: eine kleine Pappschachtel, rot und schwarz, zwölf mal neun Zentimeter, leer. Vom Schreibtisch war diese Schachtel in die mittlere Schublade gewandert, wo Justin sie bei seiner allzu hastigen Durchsuchung von Tessas Habe gefunden hatte. Nicht vergessen, nicht verschmäht. Aber abgeschoben, platt gedrückt, beiseite gestoßen, während Tessa sich dringlicheren Angelegenheiten gewidmet hatte. Auf allen vier Seiten stand der Name Dypraxa in einem Streifen, der sich rundherum zog. In der Schachtel der Beipackzettel, der Indikationen und Kontraindikationen verzeichnete. Und auf dem Deckel drei lustige kleine, goldene Bienen in Pfeilformation. Justin führte die Schachtel wieder einer Bestimmung zu, indem er sie öffnete und auf ein leeres Regalbrett an der Wand direkt vor sich hinstellte. Kenny K . mit seinen ThreeBees hält sich für Napoleon , hatte Tessa im Fieber Justin zugeflüstert. Und ihr Stich ist tödlich , wusstest du das? Nein, Darling, das wusste ich nicht, schlaf weiter.
    ***
    Lesen.
    Reisen.
    Die Gedanken beruhigen.
    Das Denken beschleunigen.
    Voranstürmen und doch stillstehen, geduldig sein wie ein Heiliger und impulsiv wie ein Kind.
    Nie zuvor in seinem Leben war Justin so wissbegierig gewesen. Für weitere Vorbereitungen war keine Zeit mehr. Tag und Nacht hatte er sich gewappnet seit ihrem Tod. Er hatte dem widerstanden, aber gleichzeitig hatte er sich gewappnet. In Glorias schrecklichem Untergeschoss. Bei den Verhören durch die Polizei, als das Widerstandleisten bisweilen unerträglich geworden war, hatte er sich dennoch in einem schlaflosen Winkel seines Kopfes darauf vorbereitet. Auf dem endlosen Heimflug, in Alison Landsburys Büro, in Pellegrins Klub, in Hams Kanzlei und im Haus mit der Nummer vier hatte er sich, während ihm Hunderte von Sachen durch den Kopf gingen, darauf vorbereitet. Jetzt galt es, den großen Sprung zu wagen, mitten hinein in ihre geheime Welt; jeden Wegweiser und Meilenstein entlang ihrer Reiseroute zu erkennen; seine eigene Identität auszulöschen und ihre wieder aufleben zu lassen; Justin zu töten und Tessa zum Leben zu erwecken.
    Wo beginnen?
    Überall!
    Welchem Weg folgen?
    Allen!
    Der Beamte in ihm hatte sich

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