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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Frankfurt verwaltet.
    Na dann, willkommen zu Hause, sagte er zu Tessa, für den Fall, dass sie nach der langen Reise noch nicht gemerkt hatte, wo sie waren.
    Die Hausschlüssel wurden auf einem Vorsprung in der Holzverkleidung der Wasserpumpe aufbewahrt. Erst nimmst du den Deckel ab , Darling – hier , so – , dann langst du mit dem ganzen Arm hinein und wenn du Glück hast , fischst du sie heraus . Dann schließt du die Eingangstür auf und führst deine Braut ins Schlafzimmer und liebst sie , hier , so . Aber Justin führte sie nicht ins Schlafzimmer, er wusste einen besseren Ort. Er nahm die Leinenkoffer wieder auf und marschierte über den Hof. Der Mond war entgegenkommend genug, gerade in diesem Moment hinter den Wolken hervorzutreten, um ihm den Weg zu beleuchten und helle Streifen zwischen den Pappeln hindurch zu werfen. An der hintersten Ecke des Hofes angelangt, ging er durch eine enge, an eine alte römische Seitenstraße gemahnende Gasse auf eine Olivenholztür zu, in die Napoleons Wappenbiene geschnitzt war, zu Ehren des großen Mannes selbst – so die Familienlegende –, der sich, da er die anregende Unterhaltung und den noch anregenderen Wein von Tessas Ururgroßmutter zu schätzen wusste, während der zehn rastlosen Monate seines Exils zum Stammgast in der Villa ernannt hatte.
    Justin wählte den größten Schlüssel aus dem Bund und drehte ihn im Schloss. Die Tür gab ächzend nach. Hier haben wir unser Geld gezählt , erklärt sie ihm ernst, in ihrer Rolle als Manzini-Erbin, Braut und Fremdenführerin. Heute werden die einzigartigen Manzini-Oliven nach Piombino verschifft , wo sie gepresst werden wie alle anderen auch . Aber zu Lebzeiten meiner Mutter , der dottoressa, war dieser Raum noch das Allerheiligste . Hier haben wir das Öl , Krug für Krug , registriert , bevor es bei sorgsam kontrollierter Temperatur unten in der cantina eingelagert wurde . Hier haben wir – du hörst ja gar nicht zu .
    »Das liegt daran, dass du mich gerade verführst.«
    Du bist mein Ehemann , und ich verführe dich , wann immer ich will . Pass gut auf . In diesem Raum wurde sämtlichen Bauern der Wochenlohn in die Hand gezählt , und die haben es meist mit einem Kreuz quittiert und zwar im Hauptbuch , das größer war als das englische Reichsgrundbuch .
    »Tessa, ich kann nicht –«
    Was kannst du nicht? Natürlich kannst du . Du bist doch sonst so einfallsreich . Hier haben wir auch die aneinander geketteten Lebenslänglichen aus dem Zuchthaus auf der anderen Seite der Insel aufgenommen . Daher das Guckloch in der Tür . Daher die Eisenringe in der Wand , wo man die Sträflinge festmachen konnte , bis sie in die Olivenhaine gebracht wurden . Bist du nicht stolz auf mich? Eine Nachkommin von Sklavenhaltern?
    »Unermesslich.«
    Warum schließt du dann die Tür ab? Bin ich deine Gefangene?
    »In alle Ewigkeit.«
    Der Ölraum war ein niedriges, mit Holz ausgeschlagenes Gemach; die Fenster lagen zu hoch für neugierige Augen: Weder die Auszahlung der Löhne konnte beobachtet werden, noch die angeketteten Sträflinge, und schon gar nicht die beiden Frischverheirateten, die sich zärtlich auf dem Ledersofa liebten, das steif an der Wand zum Meer stand. Der Zähltisch war glatt und quadratisch, und in den gewölbten Nischen dahinter befanden sich zwei Tischlerwerkbänke. Justin musste seine ganze Kraft aufbieten, um sie über die Steinplatten zum Tisch zu ziehen und sie so dort aufzustellen, dass sie die Flügel zu beiden Seiten bildeten. Über der Tür befand sich ein Bord mit alten, aus dem Gut geräuberten Flaschen. Justin holte sie herunter, staubte sie mit seinem Taschentuch ab und stellte sie auf den Tisch, wo sie ihm als Briefbeschwerer dienen sollten. Die Zeit war stehen geblieben. Er spürte weder Durst noch Hunger, noch Müdigkeit. Nachdem er auf jede Werkbank einen Koffer gestellt hatte, packte er die ihm so teuren Bündel aus und legte sie auf den Zähltisch, wobei er sorgfältig darauf achtete, sie genau in die Mitte zu platzieren, damit sie in ihrer Trauer oder ihrem Wahnsinn nicht etwa auf die Idee kamen, sich über die Kante zu stürzen. Vorsichtig begann er, das erste Bündel Schicht für Schicht zu enthüllen – Tessas Baumwollmorgenmantel, ihre Angora­strickjacke, die sie am Tag vor ihrem Aufbruch nach Lokichoggio getragen hatte, ihre Seidenbluse, noch mit ihrem Geruch am Kragen-, bis er den Schatz in Händen hielt: ein glatter grauer Kasten, dreißig mal fünfundzwanzig Zentimeter groß, auf dem

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