Der ewige Gaertner
heftig um seine tote Frau, dass die schlimmsten Stunden in Glorias Untergeschoss dagegen ebenso verblassten wie das Begräbnis in Langata, der Besuch in der Leichenhalle oder im Dachgeschoss von Nummer vier.
Justin fand sich auf dem Bahnhof in Turin wieder und nahm ein Hotelzimmer, um sich frisch zu machen. Dann kaufte er zwei gebrauchte Leinenkoffer, in denen er Tessas Unterlagen und Gegenstände unterbringen wollte, die ihm zu Reliquien geworden waren. Signor Justin, si , versicherte ihm – unter Beileidsbekundungen, die gerade ihrer Aufrichtigkeit wegen schmerzten – der junge Anwalt im schwarzen Anzug, Erbe der Manzini-Hälfte der Kanzlei, die Hutschachteln seien sicher und pünktlich eingetroffen, zusammen mit der Anweisung von Ham, Nummer fünf und sechs ungeöffnet und nur Justin persönlich auszuhändigen. Und sollte es noch irgendetwas geben, was der junge Mann tun könne, sei es rechtlicher, geschäftlicher oder anderer Natur, dann verstehe es sich von selbst, dass die Familie Manzini ihr loyales Verhältnis nicht mit dem tragischen Tod der Signora beende, und so weiter. Oh, und da sei natürlich noch das Geld, fügte er geringschätzig hinzu und zählte gegen Justins Unterschrift fünfzigtausend US-Dollar in Scheinen ab. Worauf Justin sich in die Abgeschiedenheit eines leeren Konferenzzimmers zurückzog, wo er Tessas Reliquien und Mr Atkinsons Pass umpackte an ihren neuen Ruheort: in die Leinenkoffer. Kurze Zeit später nahm er ein Taxi nach Piombino, wo er gerade rechtzeitig kam, um an Bord eines protzigen Hotelhochhauses zu gehen, das sich als Schiff ausgab und im Begriff war, abzulegen mit Ziel Portoferraio auf Elba.
In dem gigantischen Selbstbedienungsrestaurant an Bord war er der einzige Gast. Die Koffer zu beiden Seiten neben sich, setzte er sich so weit entfernt wie möglich vom übergroßen Fernseher hin und zwang sich dazu, einen Meeresfrüchtesalat, ein Salamibaguette und eine halbe Flasche wirklich schlechten Rotweins zu sich zu nehmen. Beim Anlegen in Portoferraio überfiel ihn das vertraute Gefühl der Schwerelosigkeit, als er sich in den unbeleuchteten Innereien des Schiffs durch das Parkdeck kämpfte, wo ungehobelte Lastwagenfahrer ihre Motoren aufheulen ließen oder einfach auf ihn zufuhren und ihn, samt seiner Koffer, gegen das verschraubte Stahlgehäuse des Unterschiffs drängten, sehr zur Freude der Träger, die gar nicht daran dachten, ihm ihre Hilfe anzubieten.
Es war tiefer Winter und bitterkalt, als Justin zitternd und wütend auf den Kai kletterte, und die wenigen Fußgänger bewegten sich mit ungewohnter Eile durch die Abenddämmerung. Aus Angst, erkannt oder, noch schlimmer, mit Mitleidsbekundungen konfrontiert zu werden, drückte er seinen Hut tief in die Stirn und schleppte die Koffer zum nächsten wartenden Taxi. Erleichtert stellte er fest, dass das Gesicht des Fahrers ihm nicht vertraut war. Auf der zwanzigminütigen Fahrt erkundigte der Mann sich, ob er Deutscher sei, worauf Justin erwiderte, er sei Schwede. Die aus dem Stegreif gegebene Antwort erwies sich als sehr zweckmäßig, denn der Mann stellte keine weiteren Fragen.
Die Villa Manzini lag im Norden der Insel, unmittelbar an der Küste. Der Wind blies direkt vom Meer herüber, schüttelte die Palmen, peitschte die Mauern, schlug gegen die Fensterläden und Dachziegel und ließ es in den Nebengebäuden knarren. Justin blieb allein im trügerischen Licht des Mondes stehen, wo das Taxi ihn abgesetzt hatte, am Eingang zu einem gepflasterten Hof mit einer uralten Wasserpumpe und einer Olivenpresse. Er wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die Villa ragte bedrohlich vor ihm auf. Zwei Reihen Pappeln, gepflanzt von Tessas Großvater, markierten den Weg von der Haustür zum Meeresufer. Nach und nach unterschied Justin Katen der Hausbediensteten, Steintreppen, Torpfosten und schemenhafte Bruchstücke römischen Mauerwerks. Nirgendwo brannte Licht. Der Gutsverwalter trieb sich, nach Hams Aussage, mit seiner Verlobten in Neapel herum. Der Haushalt war zwei reisenden Frauen aus Österreich anvertraut, die sich als Malerinnen bezeichneten und ihr Lager in einer leer stehenden Kapelle auf der anderen Seite des Grundstücks aufgeschlagen hatten. Tessas Mutter, die dottoressa – ein Titel, dem man auf der Insel den Vorzug vor der Contessa gab –, hatte die beiden Arbeiterkaten umgebaut und zur Freude der deutschen Touristen Romeo und Giulietta getauft. Sie wurden von einer Ferienhausagentur in
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