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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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die Signora dir geschenkt hat?«, fragte Justin, ins Italienische wechselnd. »Tessa meinte, du seist ein großes Ass. Ein Genie, hat sie gesagt. Ihr habt euch doch mit Leidenschaft E-Mails hin- und hergeschickt. Ich war schon ganz eifersüchtig. Sag mir nicht, dass du deinen Computer aufgegeben hast, Guido!«
    Die Frage rief einen zornigen Ausbruch in der Küche hervor. »Natürlich hat er ihn aufgegeben! Er hat alles aufgegeben! Vier Millionen Lire hat sie das Ding gekostet! Früher hat er den ganzen Tag davorgehockt, klack, klack, klack. Klack, klack, klack. ›Du verdirbst dir die Augen‹, hab ich ihm gesagt, ›du wirst krank, wenn du dich die ganze Zeit so konzentrierst.‹ Und nun, nichts mehr. Sogar der Computer muss sterben.«
    Guidos Hand immer noch in seiner, sah Justin ihm eindringlich in die abgewandten Augen. »Ist das wahr?«
    Das war es.
    »Aber das ist ja schrecklich , Guido. Du wirfst dein Talent weg«, klagte Justin. Jetzt zeichnete sich doch ein schwaches Lächeln auf Guidos Gesicht ab. »Die menschliche Rasse braucht dringend helle Köpfe wie dich. Hörst du mich?«
    »Vielleicht.«
    »Und erinnerst du dich noch an Signora Tessas Computer, den, auf dem sie mit dir geübt hat?«
    Selbstverständlich erinnerte Guido sich – sogar mit einem Anflug mächtiger Überlegenheit, um nicht zu sagen Selbstgefälligkeit.
    »Na schön, der ist nicht so gut wie deiner. Deiner ist ein paar Jahre neuer und schneller, besser. Ja?«
    Oh ja. In der Tat. Und das Lächeln wurde breiter.
    »Tja, Guido, ich bin ein Dummkopf. Im Gegensatz zu dir kann ich nicht mal richtig mit ihrem Computer umgehen. Das Problem ist jetzt, dass Signora Tessa einen Haufen von Mitteilungen darauf hinterlassen hat, einige für mich sind auch dabei, und ich habe wirklich große Angst, dass die mir verloren gehen. Und ich glaube, sie würde wollen, dass du derjenige bist, der dafür sorgt, dass ich sie nicht verliere. Okay? Sie hat sich nämlich sehr gewünscht, einen Sohn wie dich zu haben. Genau wie ich. Die Frage ist also: Kommst du in die Villa und hilfst mir zu lesen, was sich auf ihrem Laptop befindet?«
    »Hast du den Drucker?«
    »Ja.«
    »Das Diskettenlaufwerk?«
    »Das auch.«
    »CD-Laufwerk? Modem?«
    »Und das Handbuch. Und die Kabel und einen Adapter. Aber ich bin trotzdem eine absolute Niete, und wenn es irgendwas zu vermurksen gibt, dann schaff ich das mit Sicherheit.«
    Guido war bereits aufgestanden, doch Justin zog ihn sanft zum Tisch zurück.
    »Heute Abend noch nicht. Du sollst erst mal schlafen, aber morgen in aller Frühe komme ich, wenn du magst, und hole dich mit dem Jeep ab. Hinterher musst du aber in die Schule. Ja?«
    »Ja.«
    »Sie sind sicher müde, Signor Justin«, murmelte Guidos Mutter, als sie den Kaffee vor ihn hinstellte. »So viel Trauer ist schlecht für das Herz.«
    * **
    Zwei Nächte und zwei Tage war er jetzt auf der Insel, doch wenn ihm jemand nachgewiesen hätte, dass es in Wirklichkeit bereits eine ganze Woche war – er wäre nicht überrascht gewesen. Justin hatte die Kanalfähre nach Boulogne genommen, dort eine Bahnfahrkarte gelöst, bar bezahlt, und hatte dann unterwegs, lange bevor die erste Fahrkarte ihre Gültigkeit verlor, eine zweite für ein anderes Reiseziel gekauft. Seinen Pass hatte er, wenn er sich nicht sehr täuschte, nur einmal und dann auch nur flüchtig vorgezeigt, nämlich als er aus der Schweiz nach Italien einreiste, durch eine schroffe und wunderschöne Gebirgsschlucht. Und es war sein eigener Ausweis gewesen. Dessen war er sich vollkommen sicher. Er hatte Lesleys Anweisung gehorcht und Ham gebeten, ihm den Pass von Mr Atkinson vorauszuschicken, da er nicht riskieren wollte, mit zweien erwischt zu werden. Welche Schlucht und welcher Zug es aber gewesen waren – um das zu bestimmen, hätte er die Karte konsultieren und Vermutungen darüber anstellen müssen, in welcher Stadt er überhaupt eingestiegen war.
    Weite Strecken der Reise war Tessa an seiner Seite gewesen, und hin und wieder hatten sie miteinander gelacht – meistens auf einen entwaffnenden Kommentar hin, den Tessa mit gedämpfter Stimme zu einem meist belanglosen Vorfall zum Besten gegeben hatte. Sonst aber hatten sie, Schulter an Schulter, den Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen, in Erinnerungen geschwelgt wie ein altes Ehepaar, bis sie ihn plötzlich wieder verließ und der Kummer ihn überwältigte, als sei er ein Tumor, von dem er die ganze Zeit über gewusst hatte. Und Justin Quayle trauerte so

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