Der ewige Gaertner
zur Ruhe gesetzt. Angefeuert von Tessas Ungeduld, war Justin niemandem außer ihr mehr Rechenschaft schuldig. Wo immer sie nur oberflächlich vorgegangen war, wollte er es auch tun, wo methodisch, wollte er ihrer Methode gehorchen. Wo sie intuitiv einen Sprung machte, da wollte er sich von ihr an die Hand nehmen lassen und mit ihr springen. War er hungrig? Wenn Tessa es nicht war, war er es auch nicht. War er müde? Wenn Tessa die halbe Nacht in ihrem Morgenmantel am Schreibtisch hocken konnte, dann konnte Justin die ganze Nacht aufbleiben, und auch den ganzen nächsten Tag, und die nächste Nacht noch dazu!
Einmal riss er sich von der Arbeit los, um die Speisekammer der Villa zu plündern, und kehrte mit Salami, Oliven, Knäckebrot, Reggiano und Mineralwasser zurück. Ein anderes Mal – dämmerte der Abend oder der Morgen?, ihm blieb nur die Erinnerung an graues Licht – war er in ihrem Krankenhaustagebuch bis zu dem Eintrag über die Besuche Lorbeers und seiner Gefolgschaft an Wanzas Krankenbett vorgedrungen, als er plötzlich bemerkte, dass er eine Runde in dem von Mauern umgebenen Garten machte. Hier hatte er, aus Liebe zu Tessa und unter ihrem liebevollen Blick, Hochzeitslupinen, Hochzeitsrosen und die unvermeidlichen Hochzeitsfreesien gepflanzt. Das Unkraut reichte Justin bis zu den Knien und durchnässte seine Hosenbeine. Eine einzelne Rose stand in Blüte. Da fiel ihm ein, dass er die Tür zum Ölraum offen gelassen hatte. Er hastete über den gepflasterten Hof zurück, nur um festzustellen, dass sie abgeschlossen war und der Schlüssel in der Tasche seines Jacketts steckte.
***
Ausschnitt aus der Financial Times:
ThreeBees – Bienenfleißig
Es sind Gerüchte im Umlauf, nach denen der Playboy und Senkrechtstarter Kenneth K. Curtiss von der Firma ThreeBees, einem Unternehmen mit Schwerpunkt in der Dritten Welt, sich in eine Vernunftehe mit dem schweizerisch-kanadischen Pharmagiganten Karel Vita Hudson stürzen will. Wird KVH sich am Altar blicken lassen? Kann ThreeBees die Mitgift aufbringen? Ja, ja und nochmals ja, lautet die Antwort, sofern das für Kenny K. typische Vabanquespiel im Pharmabereich genug Geld abwirft. Die in der abgeschotteten und überaus profitträchtigen Welt der Pharmaindustrie wohl beispiellose Vereinbarung sieht dem Vernehmen nach vor, dass die in Nairobi ansässige Firma ThreeBees ein Viertel der geschätzten ₤ 500 Millionen an Forschungs- und Entwicklungskosten für DYPRAXA, KVHs neues Wundermittel gegen Tbc, übernehmen wird, um im Gegenzug die exklusiven Verkaufs- und Vertriebsrechte für ganz Afrika sowie einen nicht benannten Anteil an den weltweit aus dem Verkauf des Medikaments erzielten Gewinnen zu erhalten.
In Nairobi äußerte sich ThreeBees-Sprecherin Vivian Eber denn auch vorsichtig begeistert: »Das ist genial. Ganz typisch für den einmaligen Kenny K. Es ist ein geradezu humanitärer Akt, gut für die Firma, gut für die Aktionäre, gut für Afrika. DYPRAXA ist so leicht zu verabreichen wie Smarties. Im Kampf gegen die erschreckende weltweite Ausbreitung neuer Tbc-Stämme wird ThreeBees an vorderster Front stehen.«
Der KVH-Vorsitzende Dieter Korn, der gestern Abend in Basel vor die Presse trat, beeilte sich, Ebers Optimismus zu bekräftigen: »DYPRAXA ersetzt eine strapaziöse, sechs- bis achtmonatige Behandlung durch zwölfmaliges Tablettenschlucken. Wir glauben, in ThreeBees die richtigen Partner gefunden zu haben, um in Afrika den Weg für DYPRAXA zu bereiten.«
Handgeschriebene Mitteilung von Tessa an Bluhm, vermutlich in Arnolds Wohnung gefunden:
Arnold , mein Herz ,
du wolltest mir ja nicht glauben , dass die von KVH schlecht sind . Ich hab’s jetzt nachgeprüft . Die von KVH sind sehr schlecht . Vor zwei Jahren wurden sie beschuldigt , halb Florida zu verpesten , wo sie eine große » Anlage « besitzen , kamen aber mit einer Verwarnung davon . Die Kläger hatten den unbestrittenen Nachweis erbracht , dass KVH den zulässigen Anteil an toxischen Einleitungen um neunhundert Prozent überschritten hatte und dadurch Naturschutzgebiete , Feuchtgebiete , Flüsse , Strände und wahrscheinlich auch die Milch vergiftet hat . KVH hat eine ähnliche Anlage auch in Indien betrieben , wo in der Gegend von Madras zweihundert Kinder an Krankheiten gestorben sein sollen , die damit in Zusammenhang gebracht werden . Die Gerichtsverhandlung in Indien wird erst in ca . fünfzehn Jahren eröffnet werden oder noch später , falls die von
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