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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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E-Mails. Um neue Nachrichten abzuholen, muss man online gehen. Um Nachrichten abzuschicken , muss man ebenfalls online gehen. Solange man nicht online ist, kann man keine Nachrichten abholen oder senden.«
    »Das weiß ich selbst. Ist doch klar.«
    »Soll ich jetzt online gehen?«
    »Noch nicht. Ich will erst sehen, was schon da ist.«
    »Alles?«
    »Ja.«
    »Um das zu lesen, brauchst du Tage. Vielleicht Wochen. Du musst nur mit der Maus draufgehen und klicken. Willst du den Stuhl haben?«
    »Bist du absolut sicher, dass nichts schief gehen kann?«, fragte Justin noch einmal, als er sich auf den Stuhl setzte und Guido hinter ihm Aufstellung nahm.
    »Was sie gesichert hat, ist sicher. Wie gesagt. Warum sollte sie es sonst sichern?«
    »Und ich kann es nicht löschen?«
    »Herrgott noch mal, Mann! Das geht nur, wenn du auf Löschen drückst. Aber selbst wenn du das tust, wirst du erst mal gefragt: Justin, willst du das wirklich löschen? Und wenn du es nicht willst, sagst du nein. Das heißt, du drückst auf Nein. Und wenn du auf Nein drückst, heißt das: Nein . Will ich nicht löschen . Klick. Das ist alles. Nun mach schon.«
    Während Justin sich vorsichtig durch Tessas Labyrinthe klickt, steht Lehrmeister Guido gönnerhaft hinter ihm und gibt ihm mit seiner angloamerikanischen Cyberstimme Kommandos. Wenn Justin auf etwas Neues oder Verwirrendes stößt, unterbricht er sein Tun, nimmt ein Blatt Papier und lässt sich von Guido die einzelnen Schritte diktieren. Ganze Landschaften neuer Informationen entfalten sich vor seinen Augen. Geh hierhin, geh dorthin, geh wieder zurück. Das ist alles viel zu viel, du hast zu viel gesammelt, das kann ich nie mehr aufholen, sagt er zu ihr. Ich könnte jahrelang lesen und wüsste immer noch nicht, ob ich gefunden habe, wonach du gesucht hast.
    ***
    Broschüren der Weltgesundheitsorganisation.
    Berichte von obskuren medizinischen Kongressen in Genf, Amsterdam und Heidelberg unter der Ägide irgendeines jener unzähligen Ableger des wild wuchernden Gesundheitsimperiums der Vereinten Nationen.
    Firmenprospekte, in denen unaussprechliche pharmazeutische Produkte und ihre die Lebensqualität steigernden Eigenschaften gepriesen werden.
    Private Aufzeichnungen. Notizen. Ein schockierendes Zitat aus Time , umrahmt von Ausrufezeichen und in einer so großen Schrift, dass man es sogar vom anderen Ende des Raums lesen konnte, es sei denn, man war blind oder wendete den Kopf ab. Eine Furcht erregende, allgemeine Aussage, die Tessas Suche nach dem Besonderen beflügeln soll:
     
    BEI 93 KLINISCHEN TESTS WURDEN 691 GEGENREAKTIONEN REGISTRIERT, VON DENEN JEDOCH NUR 39 AN DIE NATIONALEN GESUNDHEITSBEHÖRDEN GEMELDET WURDEN.
     
    Ein ganzer Ordner für PW. Wer in Gottes Namen ist dieser PW, den sie ja nicht gerade versteckt hat? Verzweiflung. Gib mir was Gedrucktes, das kann ich verstehen. Aber als er Dies und das anklickt, springt ihm dort wieder PW ins Auge. Und einen Klick weiter klärt sich alles auf: PW ist die Abkürzung für PharmaWatch, eine selbst ernannte Cyber-Untergrundorganisation, die virtuell in Kansas ansässig ist und sich zum Ziel gesetzt hat, »die Exzesse und üblen Machenschaften der pharmazeutischen Industrie zu entlarven«, nicht zu vergessen »die Unmenschlichkeit selbst ernannter Humanitätsapostel, die die ärmsten Nationen ausbeuten«.
    Berichte von so genannten Hinterhof­konferenzen zur Planung von Märschen auf Seattle oder Washington, bei denen die Demonstranten die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds mit ihren Ansichten konfrontieren wollten.
    Hochtrabendes Gerede von der »Großen Amerikanischen Hydra« und dem »Monster Kapital«. Ein gewagter Artikel von weiß der Himmel wo, Titel: »Der Anarchismus kommt in großem Stil zurück.«
    Justin klickt weiter und findet eine Attacke auf den Begriff Humanität . Humanität ist Tessas Hasswort, soviel ist klar. Wann immer sie es hört, gesteht sie Bluhm in einer redseligen E-Mail, möchte sie am liebsten zu ihrem Revolver greifen.
     
    Jedes Mal wenn ich höre, wie ein Pharmakonzern sein Vorgehen mit Begriffen wie Humanit ä t, Altruismus oder Pflicht gegen ü ber der Menschheit rechtfertigt, wird mir schlecht, und das liegt bestimmt nicht daran, dass ich schwanger bin. Sondern daran, dass ich zur gleichen Zeit Irgendwo lese, wie die amerikanischen Pharmagiganten die Lebensdauer Ihrer Patente zu verl ä ngern versuchen, damit sie blo ß nicht ihr Monopol verlieren; denn so k ö nnen sie verlangen, was sie

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