Der ewige Gaertner
dem Laptop selbst, den er mit unbarmherziger Respektlosigkeit behandelte: Erst klappte er den Deckel auf, dann stopfte er das Netzkabel in die Buchse, tat aber – Gott sei Dank – noch nicht den Stecker in die Steckdose. Mit derselben Unbekümmertheit schob Guido Modem und Drucker und alles mögliche andere, was er nicht brauchte, beiseite und ließ sich auf den Stuhl mit den Kissen fallen.
»Okay«, sagte er.
»Was ist okay?«
»Einschalten«, erwiderte Guido auf Englisch und wies mit einer Kopfbewegung in Richtung der Steckdose zu seinen Füßen. »Los geht’s«, sagte er und reichte Justin das Kabel. Seine Stimme hatte für dessen überempfindliches Gehör einen unangenehmen angloamerikanischen Tonfall angenommen.
»Kann da was schief gehen?«, fragte Justin nervös.
»Was denn, zum Beispiel?«
»Können wir was löschen oder so, aus Versehen?«
»Beim Einschalten? Unmöglich.«
»Warum nicht?«
Guido beschrieb mit seiner Vogelscheuchenhand feierlich einen Bogen um den Bildschirm. »Was da drin ist, hat sie alles gesichert. Was sie nicht sichert, braucht sie nicht, und dann ist es auch nicht da drin. Klingt das vernünftig, oder klingt das vernünftig?«
Vor Justins Augen ging ein feindseliges Gitter nieder, wie immer, wenn jemand Computerchinesisch mit ihm sprach.
»Na schön. Wie du meinst. Dann schalte ich ihn jetzt ein.« Er ging in die Hocke und schob behutsam den Stecker in die Dose. »Ja?«
»Oh Mann!«
Widerwillig drückte Justin auf den Schalter und erhob sich, nur um festzustellen, dass sich auf dem Monitor absolut nichts tat. Er bekam einen trockenen Mund, ihm wurde schlecht. Ich mache einen Fehler. Ich bin ein Trottel, ein Idiot. Ich hätte einen Experten anheuern sollen, nicht ein Kind. Ich hätte selbst lernen sollen, mit diesem verflixten Ding umzugehen. Dann wurde der Bildschirm hell, und eine Schar lächelnder afrikanischer Kinder vor einer Buschklinik mit Blechdach winkte ihm zu; gleich darauf erschien eine Art Luftbild mit farbigen Rechtecken und Ovalen auf blaugrauem Untergrund.
»Was ist das?«
»Der Desktop.«
Justin spähte über Guidos Schulter und las: Aktenkoffer … Netzwerkumgebung … Verbinden . »Und jetzt?«
»Du willst Dateien sehen? Ich zeig dir welche. Wir gehen in die Dateien rein, und du kannst sie lesen.«
»Ich will sehen, was Tessa gesehen hat. Woran sie gearbeitet hat. Ich will ihre Schritte verfolgen und alles lesen, was hier drin ist. Ich dachte, ich hätte mich deutlich ausgedrückt.«
Er war angespannt, und plötzlich störte ihn Guidos Anwesenheit. Er wollte Tessa wieder für sich haben, am Zähltisch. Er wünschte, es gäbe ihren Laptop gar nicht. Guido lenkte einen Pfeil auf einen Kasten links unten auf Tessas Monitor.
»Was ist das für ein Ding, auf das du da drückst?«
»Die Maus. Das hier sind die letzten neun Dateien, an denen sie gearbeitet hat. Soll ich dir auch die andern zeigen? Kann ich machen, kein Problem.«
Ein Kasten erschien, Überschrift: Datei öffnen , Eigene Dateien , Tessa . Er klickte weiter.
»Hier hat sie ungefähr fünfundzwanzig Dateien abgelegt«, erklärte Guido.
»Haben die auch Namen?«
Guido lehnte sich zur Seite, damit Justin besser sehen konnte:
Guido bewegte den Pfeil und klickte. »Arnold. Wer ist denn plötzlich dieser Arnold?«, fragte er.
»Ein Freund von ihr.«
»Der hat hier auch Dateien. Mann, und was für ’ne Menge Dateien der hat!«
»Wie viele denn?«
»Zwanzig. Mehr.« Er klickte weiter. » Dies und das . Was kann das sein?«
»Na, alles Mögliche eben«, antwortete Justin unwirsch. »He, Moment! Was machst du da? Du bist zu schnell.«
»Nein, bin ich nicht. Ich mach’s extra langsam, für dich. Ich sehe nach, was sie alles in ihrem Aktenkoffer hat. Mann, da sind jede Menge Ordner drin. Ordner eins, Ordner zwei. Und noch viel mehr.« Er klickte. Sein aufgesetzter amerikanischer Akzent trieb Justin in den Wahnsinn. Wo hat er den bloß her? Wahrscheinlich guckt er zu viele amerikanische Filme. Ich werde mit dem Schuldirektor reden müssen. »Siehst du das hier? Das ist der Papierkorb. Da tut sie alles rein, was sie eventuell rausschmeißen will.«
»Sieht so aus, als hätte sie es nicht gemacht.«
»Nun ja, was noch da ist, hat sie behalten. Alles andere hat sie rausgeschmissen.« Er klickte.
»Was heißt AOL?«, fragte Justin.
»America Online. Ein Internet-Provider. Alles, was sie von AOL erhalten und aufgehoben hat, ist in diesem Programm abgelegt, genau wie ihre alten
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