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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Sternchen erscheinen, sonst geschieht nichts. Er gibt das Wort noch einmal ein und tippt das S als 5.
    »Ob das Ding mir noch eine Chance gibt?«
    »Ich bin zwölf Jahre alt, Justin! Zwölf!« Guido beruhigt sich ein wenig. »Kann sein, dass du noch einen Versuch hast. Dann ist Schluss. Ich geb’s auf, okay? Das ist ihr Laptop. Deiner. Halt mich da raus.«
    Justin gibt zum dritten Mal Freesie ein, lässt das S als 5, macht aber aus der 1 wieder ein I und starrt plötzlich auf eine unfertige Polemik. Mit Hilfe seiner gelben Freesien ist er in die Datei Arnold eingedrungen und auf ein Traktat über Menschenrechte gestoßen. Guido hüpft im Zimmer herum.
    »Wir haben’s geschafft! Sag ich doch! Wir sind phantastisch! Sie ist phantastisch!«
    ***
    Warum müssen Afrikas Schwule sich verstecken?
    Vernehmen Sie die wohltuenden Worte jenes gro ß en Gebieters ü ber ö ffentliche Moral, Pr ä sident Daniel Arap Moi:
    »Worte wie Lesbiertum und Homosexualit ä t existieren in afrikanischen Sprachen nicht. « – Moi, 1995.
    » Homosexualit ä t verst öß t gegen afrikanische Normen und Religionen und wird auch von den Religionen als gro ß e S ü nde angesehen. « – Moi, 1998.
    Es ü berrascht nicht, dass Kenias Strafgesetze sich zu hundert Prozent mit Mois Ansichten decken. In den Paragraphen 162-165 ist f ü r » widernat ü rlichen Geschlechtsverkehr « eine GEF Ä NGNISSTRAFE VON F Ü NF BIS VIERZEHN JAHREN festgelegt. Ferner geht daraus hervor:
    - dass nach kenianischem Gesetz jede sexuelle Beziehung zwischen M ä nnern als VERBRECHEN gilt.
    - dass sexuelle Beziehungen zwischen Frauen unbekannt sind.
     
    Welche GESELLSCHAFTLICHEN KONSEQUENZEN hat diese vorsintflutliche Einstellung?
    - Schwule M ä nner heiraten oder haben Aff ä ren mit Frauen, um ihre sexuelle Neigung zu verheimlichen.
    - Sie sind ungl ü cklich, und Ihre Frauen auch.
    - Es gibt keine Aufkl ä rungskampagne f ü r schwule M ä nner, trotz der von Kenia lange geleugneten Aids-Epidemie.
    - Teile der kenianischen Gesellschaft sind gezwungen, ein Leben im Verborgenen zu f ü hren. Ä rzte, Anw ä lte, Gesch ä ftsleute, Priester und sogar Politiker leben in st ä ndiger Angst vor Erpressung oder Verhaftung.
    - Es entsteht ein Teufelskreis aus Korruption und Unterdr ü ckung, der unsere Gesellschaft noch tiefer in den Morast zieht.
     
    Hier endet der Artikel. Warum?
    Und warum, um Himmels willen, speicherst du eine unfertige Polemik über die Rechte der Schwulen unter Arnold ab und sicherst sie mit einem Passwort?
    Justin kommt plötzlich zu Bewusstsein, dass Guido neben ihm steht. Er hat seine Wanderungen durch den Raum beendet und starrt, weit vorgebeugt und mit verwirrtem Gesichtsausdruck, auf den Bildschirm.
    »Wird Zeit, dass ich dich zur Schule bringe«, sagt Justin.
    »Wir müssen noch nicht los! Wir haben noch zehn Minuten! Wer ist Arnold? Ist er schwul? Was machen Schwule? Meine Mutter dreht durch, wenn ich sie danach frage.«
    »Wir gehen jetzt. Könnte ja sein, dass wir hinter einem Traktor hängen bleiben.«
    »Lass mich nur noch ihre Mail ansehen. Okay? Es könnte ihr jemand geschrieben haben. Vielleicht Arnold. Willst du nicht ihre Mail sehen? Vielleicht hat sie dir eine Nachricht geschickt, die du noch nicht gelesen hast. Also, ich guck jetzt nach. Ja?«
    Justin legt dem Jungen behutsam eine Hand auf die Schulter. »Dir passiert nichts. Niemand wird dich auslachen. Jeder bleibt ab und zu mal dem Unterricht fern. Das macht dich nicht zu einem Behinderten. Das macht dich normal. Wir sehen uns ihre Mail an, wenn du zurückkommst.«
    ***
    Für die Fahrt zu Guidos Schule und zurück brauchte Justin eine lange Stunde, und in dieser Zeit erlaubte er sich weder geistige Höhenflüge noch voreilige Spekulationen. Als er wieder den Ölraum betrat, ging er nicht zu dem Laptop, sondern zu dem Stapel Papiere, den Lesley ihm im Lieferwagen neben dem Kino gegeben hatte. Mit mehr Selbstvertrauen als zuvor am Laptop blätterte er sich bis zur Fotokopie eines von unbeholfener Hand auf liniertes Papier geschriebenen Briefes durch, der ihm schon bei einer seiner ersten hektischen Suchaktionen aufgefallen war. Kein Datum. Der angehefteten, mit Robs Initialen gezeichneten Notiz zufolge hatte man den Brief zwischen den Seiten eines medizinischen Nachschlagewerks entdeckt, das die beiden Beamten auf dem Fußboden in Bluhms Küche gefunden hatten; enttäuschte Einbrecher mussten es dort hingeworfen haben. Das Schreibpapier alt und verblichen. Als Adresse auf

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