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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Mund vernommen hatte. Im Gegenteil, es verpflichtete sie, die Lügen abzulehnen und das System wieder dahin zu bringen, wo es hingehörte, nämlich auf die Seite der Wahrheit. Und damit hatte Ghita eine vollkommen befriedigende Antwort auf die Frage bekommen, was sie hier eigentlich machte und warum. »Es ist besser, das System von innen heraus zu bekämpfen«, pflegte ihr Vater – ein Bilderstürmer der anderen Art – zu sagen, »als es von außen anzukläffen.«
    Und Tessa, das war ja das Wunderbare, hatte genau dasselbe gesagt.
    Die Beechcraft schüttelte sich wie ein alter Hund, holperte los und erhob sich mühsam in die Luft. Unter Ghitas winzigem Fenster breitete sich ganz Afrika aus: riesige Slums, galoppierende Zebraherden, die Blumenplantagen am Naivashasee, das Aberdare-Gebirge und verschwommen am Horizont der Mount Kenya. Und dann wie ein Ozean die endlosen Weiten dunstigen braunen Buschlandes mit vereinzelten grünen Flecken. Das Flugzeug stieß durch Regenwolken, braune Dämmerung erfüllte die Kabine. Dann wieder sengendes Sonnenlicht. Und im selben Augenblick gab es, irgendwo links von Ghita, eine gewaltige Explosion. Plötzlich legte sich das Flugzeug auf die Seite. Lunchpakete, Rucksäcke und Ghitas Reisetasche purzelten durch den Gang, Alarmglocken und Sirenen ertönten, rote Lichter blinkten. Keiner sagte etwas, außer einem alten Afrikaner, der in schallendes Gelächter ausbrach und rief: »Wir lieben dich, Herr, vergiss das bloß nicht!«, was die anderen Passagiere mit Erleichterung und nervöser Belustigung zur Kenntnis nahmen. Das Flugzeug hatte sich noch nicht wieder aufgerichtet. Das Motorengeräusch war kaum noch lauter als ein Flüstern. Der afrikanische Kopilot mit dem Backenbart hatte ein Handbuch gefunden und ging eine Checkliste durch, die Ghita über seine Schulter hinweg zu lesen versuchte. Der raubeinige Pilot drehte sich um und sprach zu seinen feigen Passagieren. Sein ledriger Mund befand sich in der gleichen Schieflage wie die Tragflächen des Flugzeugs.
    »Wie Sie vielleicht bemerkt haben, meine Damen und Herren, ist ein Motor ausgefallen«, sagte er trocken. »Das heißt, wir müssen zum Wilson Airport zurück und uns eine von den anderen Maschinen holen.«
    Und ich habe keine Angst, stellte Ghita zufrieden fest. Bis Tessa gestorben ist, sind solche Dinge immer nur anderen passiert. Jetzt passieren sie mir, und ich kann damit umgehen.
    Vier Stunden später stand sie in Lokichoggio auf der Landebahn.
    ***
    »Du bist Ghita?«, brüllte eine junge Australierin gegen den Motorenlärm und das Begrüßungsgeschrei der anderen an. »Hi! Ich bin Judith!«
    Sie war groß, rotwangig, strahlte vor Glück und trug einen zerknautschten braunen Filzhut und ein T-Shirt, das für Tee aus Ceylon warb. Sie umarmten sich, spontane Freundinnen an einem wilden, lärmenden Ort. Weiße UN-Frachtflugzeuge starteten und landeten, weiße Lastwagen rangierten mit dröhnenden Motoren, die Sonne glühte wie ein Hochofen, die Hitze sprang Ghita von der Rollbahn ins Gesicht, die Kerosindünste flimmerten ihr vor den Augen und benebelten sie. Von Judith geführt, kletterte sie über Postsäcke auf die Rückbank eines Jeeps und setzte sich neben einen schwitzenden Chinesen mit steifem Kragen und schwarzem Anzug. Jeeps rasten in entgegengesetzter Richtung an ihnen vorbei, gefolgt von einem Konvoi weißer Lastwagen, die zu den Frachtmaschinen unterwegs waren.
    »Sie war eine ganz tolle Frau!«, schrie Judith vom Beifahrersitz nach hinten. »Sehr engagiert!« Offenbar sprach sie von Tessa. »Wie kommen die nur auf die Idee, Arnold verhaften zu wollen? So was Dämliches! Der könnte keiner Fliege was zuleide tun. Du hast drei Nächte gebucht, ja? Wir erwarten noch eine Gruppe Ernährungswissenschaftler aus Uganda!«
    Judith ist hier, um sich um die Lebenden zu kümmern, nicht um die Toten, dachte Ghita, als der Jeep durch ein Tor ratterte und auf eine befestigte Straße kam. Sie fuhren an einer Barackensiedlung für Mitarbeiter vorbei, Bars, Verkaufsstände, ein Hinweisschild mit der spaßigen Aufschrift PICCADILLY HIER ENTLANG. Vor ihnen erhoben sich sanfte braune Hügel. Ghita sagte, dorthin würde sie gern einmal wandern. Judith antwortete, wenn sie das täte, würde sie nicht mehr zurückkommen.
    »Tiere?«
    »Menschen.«
    Sie näherten sich dem Lager. Auf einem staubigen, roten Feld neben dem Haupteingang spielten Kinder Basketball mit einem weißen Getreidesack, der an einen Pfosten genagelt war. Judith

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