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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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nächste Mal töten wir Sie, wie Bluhm. Eine langwierige Angelegenheit. Hören Sie mich?«
    Ein letzter Tritt in den Unterleib verlieh diesen Worten Nachdruck. Er hörte die Tür zufallen.
    * **
    Justin lag allein in seiner Dunkelheit und seinem Erbrochenen, auf der linken Seite, die Knie ans Kinn gezogen, die Hände auf den Rücken gefesselt, und das Innere seines Schädels brannte, wie von Stromschlägen, die ihm durch den ganzen Körper jagten. Er lag in schwarzer Todesangst und rief seine versprengten Truppen zum Appell – Füße, Schienbeine, Knie, Weichteile, Bauch, Herz, Hände –, und siehe da, sie waren alle vorhanden, wenn auch nicht in einwandfreiem Zustand. Er bewegte sich in seinen Fesseln und glaubte, in glühende Holzkohle zu fallen. Also verhielt er sich lieber still, und da erwachte in ihm ein grauenhaft angenehmes Gefühl, eine triumphierende, leuchtende Selbsterkenntnis. Man hat mir das angetan , aber ich bin noch derselbe . Ich bin gestählt . Ich kann noch etwas tun . In meinem Innern bin ich unberührt geblieben . Wenn sie jetzt zurückkommen und das alles noch einmal mit mir machen würden , kämen sie immer noch nicht an diesen unberührten Kern heran . Ich habe die Prüfung bestanden , vor der ich mich mein Leben lang gedrückt habe . Ich habe mein Schmerzdiplom .
    Dann ließ der Schmerz nach, oder aber die Natur kam ihm zu Hilfe, jedenfalls döste er ein; den Mund fest geschlossen, atmete er in der stinkenden, feuchten Nacht seiner Kapuze durch die Nase. Der Fernseher lief immer noch, das konnte er hören. Und wenn er seinen Orientierungssinn nicht eingebüßt hatte, lag er mit dem Gesicht in seine Richtung. Aber die Kapuze war offenbar gut gefüttert, denn er sah nichts, nicht einmal ein Flackern, und als er sich auf enorme Kosten seiner Hände auf den Rücken gewälzt hatte, sah er auch keine Spur von den Deckenlampen über sich, obwohl sie, als er das Zimmer betreten hatte, eingeschaltet gewesen waren und er sich nicht erinnern konnte, gehört zu haben, dass seine Peiniger sie beim Gehen ausgeschaltet hatten. Er wälzte sich auf die Seite und geriet kurz in Panik, während er darauf wartete, dass der stärkere Teil seines Ichs wieder die Oberhand gewann. Denk nach, Mensch. Benutz deinen dämlichen Kopf, der ist schließlich das Einzige, was sie nicht beschädigt haben. Warum haben sie ihn nicht beschädigt? Weil sie kein Aufsehen machen wollten. Das heißt, wer auch immer sie geschickt hat, wollte kein Aufsehen. »Das nächste Mal töten wir Sie, wie Bluhm« – aber nicht dieses Mal, so gern sie es vielleicht auch getan hätten. Also schreie ich. Soll ich? Soll ich mich auf dem Boden herumwälzen, gegen die Möbel treten, an die Wände treten, den Fernseher umtreten und mich überhaupt wie ein Tobsüchtiger aufführen, bis irgendwer zu dem Schluss kommt, dass dies kein leidenschaftliches Liebespaar im Rausch sadomasochistischer Ekstase ist, sondern ein gefesselter und verprügelter Engländer mit einem Sack über dem Kopf?
    Der ausgebildete Diplomat ging gewissenhaft die Konsequenzen einer solchen Entdeckung durch. Das Hotel ruft die Polizei. Die Polizei nimmt meine Aussage auf und benachrichtigt das zuständige britische Konsulat, in diesem Fall das in Hannover, falls wir da noch eins haben. Auftritt des diensthabenden Konsuls: wütend, dass man ihn vom Essen wegholt, bloß damit er sich wieder mal so einen blöden britischen Staatsbürger in Not ansieht. Sein automatischer Reflex: Er lässt sich meinen Pass zeigen – welchen der beiden, spielt keine Rolle. Wenn es der von Atkinson ist, haben wir ein Problem, denn der ist gefälscht. Um das festzustellen, genügt ein Anruf in London. Wenn es der von Quayle ist, haben wir ein anderes Problem, aber das Ergebnis dürfte in etwa dasselbe sein: Ich werde ungefragt mit dem nächstbesten Flugzeug nach London geschickt, wo mich am Flughafen ein wenig erquickliches Empfangskomitee erwartet.
    Seine Beine waren nicht gefesselt. Bis jetzt hatte er sich nicht getraut, sie zu bewegen. Als er es nun aber tat, fingen Bauch und Weichteile Feuer, und gleich darauf standen auch Ober- und Unterschenkel in Flammen. Aber es ging, und als er die Füße aneinander schlug, hörte er die Absätze klicken. Von dieser Entdeckung ermutigt, entschloss er sich zu einem gewagten Schritt und wälzte sich auf den Bauch, was ihm einen unwillkürlichen Schrei entlockte. Er biss sich auf die Lippen, um nicht noch einmal aufzuschreien.
    Aber er war zäh und blieb mit dem

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