Der ewige Gaertner
formuliert, leisteten sie der kritischen Öffentlichkeit gute Dienste. Die wachsenden Gefahren, denen Entwicklungshelfer in aller Welt ausgesetzt sind, wurden hervorgehoben. Scharfe Kommentare beklagten das Unvermögen der Vereinten Nationen, die eigenen Leute zu schützen und wiesen auf die steigenden Kosten für humanitäre Helfer hin, die mutig genug seien, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Es gab aufgeregte Spekulationen über gesetzlose Eingeborene, die es auf Menschenfleisch abgesehen hätten, über rituelle Tötungen, Hexerei und den grausigen Handel mit Menschenhäuten. Um die Existenz umherziehender Banden, illegale Einwanderer aus dem Sudan, aus Somalia und Äthiopien wurde viel Aufhebens gemacht. Gar keins dagegen um die unwiderlegbare Tatsache, dass Tessa und Bluhm unter den Augen von Gästen und Belegschaft in der Nacht vor ihrem Tod eine Hütte miteinander geteilt hatten. Bluhm war ein »belgischer Entwicklungshelfer« – korrekt – »ein fachärztlicher Berater der Vereinten Nationen« – falsch – »ein Experte für Tropenkrankheiten« – falsch –, und es wurde befürchtet, er sei von den Mördern zwecks Erpressung von Lösegeld verschleppt oder schon getötet worden.
Was den erfahrenen Dr. Arnold Bluhm und seinen jungen, schönen Schützling miteinander verband, war ihr humanitäres Engagement, ihr Einsatz für die Armen. Mehr nicht. Noah schaffte es nur bis in die ersten Meldungen und starb dann ein zweites Mal. Schwarzes Blut ist, wie jeder Zeitungsvolontär weiß, keine Nachricht, aber eine Enthauptung ist immerhin eine Erwähnung wert. Die Scheinwerfer waren erbarmungslos auf Tessa gerichtet, das High-Society-Mädchen, das zur Oxbridge-Anwältin wurde, die Prinzessin Diana der Armen Afrikas, die Mutter Teresa der Slums von Nairobi und der Engel des diplomatischen Diensts, der nicht wegschauen wollte. Ein Leitartikel im Guardian machte viel Gewese darum, dass die »Diplomatin [sic] des Neuen Jahrtausends« ihren Tod ausgerechnet in der Nähe von Leakeys Wiege der Menschheit gefunden hatte, und zog daraus den beunruhigenden Schluss, wir alle könnten – auch wenn es Veränderungen im Verhältnis der Rassen geben mochte – die tiefen Brunnen der Barbarei nicht ergründen, die sich in der Finsternis unserer Herzen auftäten. Der Beitrag büßte etwas von seiner Überzeugungskraft dadurch ein, dass ein mit den afrikanischen Verhältnissen offenbar wenig vertrauter Redakteur Tessas Ermordung vom Turkanasee an die Ufer des Tanganjikasees verlegte.
Es gab jede Menge Fotos von ihr. Das fröhliche Baby Tessa in den Armen ihres Vaters, des Richters, ein Bild aus der Zeit, da Seine Ehren noch ein bescheidener Anwalt war, der sich mit lumpigen anderthalb Millionen pro Jahr durchs Leben schlagen musste. Die zehnjährige Tessa in ihrer Höhere-Töchter-Schule mit Zöpfen und Reithosen, im Hintergrund das brave Pony. (Obwohl ihre Mutter eine italienische Contessa war, hatten sich die Eltern, wie lobend erwähnt wurde, klugerweise für eine englische Erziehung entschieden.) Tessa als goldiger Teenager im Bikini, ihr unversehrter Hals vom Bildredakteur kunstvoll hervorgehoben. Tessa mit keck aufgesetztem Barett, akademischem Talar und Minirock. Tessa im lächerlichen Aufzug der britischen Anwaltschaft, in die Fußstapfen des Vaters tretend. Tessa an ihrem Hochzeitstag, daneben der alte Eton-Schüler Justin mit seinem unverkennbaren Eton-Lächeln.
Was Justin betraf, so zeigte sich die Presse ungewöhnlich zurückhaltend, teils, weil sie das strahlende Bild der Heldin des Monats nicht trüben wollte, teils, weil es herzlich wenig über ihn zu sagen gab. Justin war einer der »loyalen Beamten im mittleren Dienst des Außenministeriums« – soll heißen: Bürohengst –, ein »in die diplomatische Tradition hineingeborener« langjähriger Junggeselle, der vor seiner Ehe die Fahne in einigen der unpopulärsten Krisenherden der Welt hochgehalten hatte, darunter Aden und Beirut. Kollegen wussten sich lobend über seine Kaltblütigkeit in schwierigen Situationen zu äußern. In Nairobi hatte er ein »modern ausgerüstetes internationales Forum« zu Entwicklungsfragen geleitet. Niemand gebrauchte das Wort »Abstellgleis«. Nicht unkomisch war, dass es außer den Hochzeitsbildern offenbar kaum Fotos von ihm gab. Ein »Familienschnappschuss« zeigte einen umwölkten, in sich gekehrten Jüngling, der, im Nachhinein betrachtet, schon damals zu früher Witwerschaft ausersehen schien. Dieses Bild stammte, wie Justin
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