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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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auf Drängen seiner Gastgeberin enthüllte, aus einem Gruppenfoto des Etonschen Rugbyteams.
    »Ich wusste ja gar nicht, dass Sie Rugbyspieler waren, Justin! Wie schneidig von Ihnen«, rief Gloria, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, ihm jeden Morgen nach dem Frühstück die aus dem Hochkommissariat weitergeleiteten Beileidsbriefe und Zeitungsausschnitte zu übergeben.
    »Es war kein bisschen schneidig«, erwiderte er in einem seiner seltenen Temperamentsausbrüche, die Gloria so genoss. »Ich wurde da hineingezwungen von einem ausgesprochen groben Hausaufseher, der der Ansicht war, wir wären keine Männer, bevor wir uns nicht gegenseitig den Schädel eingeschlagen hätten. Die Schule hatte kein Recht, dieses Foto freizugeben.« Dann, etwas ruhiger: »Ich bin überaus dankbar, Gloria.«
    Was er überhaupt immer war, wie sie Elena berichtete: dankbar für Getränke und Mahlzeiten und für seine Gefängniszelle. Dankbar für ihre gemeinsamen Spaziergänge im Garten und die kleinen Seminare über Freilandpflanzen – besonders schmeichelhaft äußerte er sich über das weiße und violette Steinkraut, das sie endlich dazu hatte überreden können, sich unter dem Wollbaum auszubreiten. Dankbar für ihre Hilfe bei der Planung der bevorstehenden Beerdigung. Zu diesem Zweck hatte sie sowohl die Grabstätte als auch die Leichenhalle besichtigt, übrigens in Begleitung von Jackson, da Justin auf Londoner Geheiß von einer Ausgangssperre betroffen war, bis der Aufruhr sich gelegt hatte. Ein diesbezügliches Fax aus dem Außenministerium, an Justins Büro im Hochkommissariat adressiert und unterzeichnet mit »Alison Landsbury, Leiterin der Personalabteilung«, hatte Gloria ziemlich aus der Fassung gebracht. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie je zuvor in ihrem Leben so nah daran gewesen wäre, die Beherrschung zu verlieren.
    »Justin, es ist einfach empörend , wie man Sie behandelt. ›Händigen Sie Ihre Hausschlüssel aus, bis geeignete Schritte seitens der Behörden unternommen wurden‹, ja, du meine Güte! Was denn für Behörden? Die kenianischen Behörden? Oder diese Plattfüße von Scotland Yard, die sich bisher noch nicht mal die Mühe gemacht haben, bei Ihnen vorzusprechen?«
    »Aber Gloria, ich bin doch bereits in meinem Haus gewesen«, wandte Justin beschwichtigend ein. »Wozu eine Schlacht schlagen, die längst gewonnen ist? Ist die Sache mit dem Friedhof geregelt?«
    »Ja, wir sollen um halb drei dort sein. Und um zwei bei › Lees Leichenhalle‹. Eine Anzeige geht morgen an die Zeitungen.«
    »Und sie wird neben Garth liegen.« – Garth, sein toter Sohn, benannt nach Tessas Vater, dem Richter.
    »So nahe, wie es möglich war, mein Lieber. Unter demselben Jakarandabaum. Zusammen mit einem kleinen Afrikaner.«
    »Sie sind zu liebenswürdig«, sagte er ihr zum zigsten Mal und zog sich ohne ein weiteres Wort ins Untergeschoss zu seiner Gladstone-Tasche zurück.
    Die Tasche war seine Trösterin. Zweimal bereits hatte Gloria durch die Gitter seines Gartenfensters einen Blick auf ihn werfen können, wie er, den Kopf in die Hände gestützt, bewegungslos auf dem Bett saß und auf die Tasche zu seinen Füßen starrte. Ihre geheime, nur mit Elena geteilte Überzeugung war, dass sie Bluhms Liebesbriefe enthielt. Er hatte sie vor neugierigen Blicken bewahrt – nicht Sandys Verdienst – und wartete nun, bis er die Kraft finden würde zu entscheiden, ob er sie lesen oder verbrennen sollte. Elena pflichtete Gloria bei, hielt aber Tessa für eine dumme kleine Schlampe, weil sie die Briefe aufbewahrt hatte. »Lesen und wegschmeißen, lautet meine Devise, Darling.« Als Gloria bemerkte, dass Justin kaum sein Zimmer verließ, weil er dann die Tasche unbeaufsichtigt lassen musste, schlug sie ihm vor, diese in den Weinkeller zu sperren – ein Verschlag, der sich mit dem Eisengitter harmonisch in die gefängnisartige Grimmigkeit des Untergeschosses fügte.
    »Und Sie behalten den Schlüssel, Justin«, verkündete sie mit großer Geste. »Hier. Und wenn Sandy eine Flasche braucht, muss er zu Ihnen kommen und drum bitten. Vielleicht trinkt er dann weniger.«
    ***
    Ein Redaktionsschluss folgte dem nächsten, und Woodrow und Coleridge waren fast bereit zu glauben, ihr Damm habe gehalten. Entweder hatte Wolfgang seine Angestellten und Gäste erfolgreich zum Schweigen verdonnert, oder die Presse war so besessen vom Schauplatz des Verbrechens, dass niemand sich die Mühe machte, in der Oase zu recherchieren, versicherten sie sich

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