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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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betreten hatten, doch ihm wurde es erst jetzt bewusst. Journalisten? Liebhaber? Wen kümmert’s? Er ließ es klingeln. Er rief sich die Raumaufteilung im Obergeschoss seines eigenen Hauses in Erinnerung und schloss auf die Räume in diesem. Justin befand sich direkt über ihm, links von der Treppe, von unten aus gesehen. Dort war das Ankleidezimmer, da das Bad und da das Elternschlafzimmer. Von Tessa wusste er, dass sie das Ankleidezimmer zum Arbeitszimmer umfunktioniert hatte. Nicht nur Männer haben ihre Höhlen , Sandy . Wir Mädels haben auch welche , hatte sie in provozierendem Ton zu ihm gesagt, als wollte sie ihm die Funktionen einzelner Körperteile erklären. Der Rhythmus änderte sich. Jetzt sammelst du irgendwelches Zeug im Zimmer ein. Was für Zeug? Dokumente , die uns beiden teuer sind . Mir unter Umständen auch, dachte Woodrow, und im Rückblick auf seine Torheit wurde ihm ein wenig übel.
    Plötzlich fand er sich am Fenster zum Garten wieder, schob den Vorhang beiseite und erblickte Girlanden von Blütensträuchern, Justins ganzer Stolz an jedem »Tag der offenen Tür« für die rangniederen Mitarbeiter, wenn er Erdbeeren mit Sahne und kalten Weißwein servierte und eine Führung durch sein Elysium veranstaltete. »Ein Jahr Gartenarbeit in Kenia ist so viel wert wie zehn Jahre in England«, pflegte er auf seinen komischen kleinen Wallfahrten durch die Kanzlei zu behaupten, wenn er Blumen an die Jungs und Mädels verteilte. Recht bedacht, war es das einzige Thema, bei dem man ihn je prahlen hörte. Woodrow spähte seitlich den Hang entlang. Das Haus der Quayles lag nicht weit von seinem entfernt. So wie der Hügel verlief, konnte man am Abend die Lichter des anderen sehen. Sein Blick blieb an dem Fenster hängen, an dem er allzu oft gestanden und hier herüber gestarrt hatte. Mit einem Mal war er den Tränen so nah wie nie zuvor. Ihre Haare streiften sein Gesicht. Er konnte in ihren Augen schwimmen und ihr Parfüm und den Duft nach warmem, süßem Gras riechen, den sie verströmte, wenn man zu Weihnachten im Muthaiga Club mit ihr tanzte und rein zufällig mit der Nase in ihre Haare geriet. Es sind die Vorhänge, begriff er, während er hartnäckig mit den Tränen kämpfte. Sie haben ihren Duft bewahrt, und ich stehe direkt daneben. Einem Impuls folgend, ergriff er den Vorhang mit beiden Händen, um sein Gesicht darin zu vergraben.
    »Danke, Sandy. Tut mir Leid, dass Sie warten mussten.«
    Er fuhr herum, ließ den Vorhang fallen. Justin stand in der Tür und wirkte so verstört, wie Woodrow sich fühlte. Er hielt eine orangefarbene, wurstförmige Gladstone-Tasche aus Leder im Arm, prall gefüllt und ziemlich abgeschabt, mit Messingschrauben, Messingecken und Messingvorhängeschlössern an beiden Enden.
    »Alles geregelt, alter Junge? Ehrenschuld beglichen?«, fragte Woodrow, noch etwas verwirrt, doch als guter Diplomat sofort wieder in der Lage, Charme zu versprühen. » Sehr schön. Das wär’s dann also. Und Sie haben alles gefunden, weswegen Sie hergekommen sind?«
    »Ich glaube schon. Ja. Mehr oder weniger.«
    »Sie klingen unsicher.«
    »Tatsächlich? War nicht beabsichtigt. Die gehörte ihrem Vater«, erläuterte er mit Blick auf die Tasche.
    »Sieht eher aus wie die von ’nem Abtreibungsarzt«, sagte Woodrow bemüht kumpelhaft.
    Er fragte, ob er ihm helfen könne, doch Justin zog es vor, seine Beute selbst zu tragen. Woodrow stieg in den Transporter, Justin kletterte hinterher und setzte sich, ohne die alten ledernen Tragegriffe auch nur einen Moment loszulassen. Die höhnischen Rufe der Journalisten drangen durch die dünnen Wagenwände:
    » Glauben Sie , dass Bluhm es ihr besorgt hat , Mr Quayle? «
    » He , Justin , mein Verleger bietet Kohle ohne Ende .«
    Aus Richtung des Hauses glaubte Woodrow trotz des klingelnden Telefons ein Baby weinen zu hören, dann erkannte er, dass es Mustafa war.

DRITTES KAPITEL
    D ie Presseberichte über Tessas Ermordung waren zunächst nicht halb so verheerend, wie Woodrow und sein Hochkommissar befürchtet hatten. Arschlöcher, die genau wissen, wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht, bemerkte Coleridge umsichtig, sind offenbar ebenso gut in der Lage, aus einem Elefanten eine Mücke zu machen. Was sie anfangs auch taten. »Mord im Busch. Frau eines britischen Gesandten fällt Killern zum Opfer«, waren die ersten Meldungen überschrieben, und mit dieser gesunden Haltung, von den seriösen Blättern etwas feiner, vom Boulevard etwas gröber

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