Der ewige Gaertner
gegenseitig. Coleridge persönlich wandte sich mit der dringenden Bitte an den versammelten Ältestenrat des Muthaiga Club, jeglichem Tratsch im Namen der englisch-kenianischen Solidarität einen Riegel vorzuschieben. Woodrow richtete eine ähnliche Predigt an die Mitarbeiter des Hochkommissariats. Was immer wir insgeheim glauben mögen, beschwor er sie, wir dürfen nichts tun, was das Feuer schüren könnte, und seine weisen, mit großem Ernst vorgebrachten Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
Doch sie hatten sich nur etwas vorgemacht, wie Woodrow im Grunde seines rationalen Herzens von Anfang an gewusst hatte. Als der Presse gerade die Puste ausging, brachte eine belgische Zeitung eine Titelgeschichte, in der Tessa und Bluhm einer »leidenschaftlichen Liaison« bezichtigt wurden; als Beweise dienten eine Kopie aus dem Gästebuch der Oase sowie Augenzeugenberichte, denen zufolge das Liebespaar am Vorabend von Tessas Ermordung in intimer Zweisamkeit zu Abend gegessen hatte. Das war ein gefundenes Fressen für die britischen Sonntagszeitungen: Über Nacht wurde Bluhm zum Prügelknaben der Fleet Street. Bisher war er Dr. med. Arnold Bluhm gewesen, kongolesischer Adoptivsohn eines im Bergbau reich gewordenen belgischen Ehepaares, ausgebildet in Kinshasa, Brüssel und an der Sorbonne, mönchisch lebender Arzt, in allen Kriegsgebieten heimisch, selbstloser Menschenretter von Algier. Von nun an war er Bluhm, der Verführer. Bluhm, der Ehebrecher. Bluhm, der Fanatiker. Eine Seite-drei-Reportage über die mörderischen Ärzte der Geschichte zeigte Fotos von Bluhm und O. J. Simpson unter der eingängigen Überschrift »Welcher Zwilling ist der Doktor?«. Für diesen Typ Zeitungsleser wurde Bluhm bald zum Inbegriff des schwarzen Killers. Er hatte die Frau eines Weißen umgarnt, ihr die Kehle durchgeschnitten, den Fahrer geköpft und war in den Busch geflüchtet, um nach einem neuen Opfer Ausschau zu halten oder zu tun, was immer diese Salonschwarzen machen, wenn sie erst einmal ihre Urinstinkte wieder entdeckt haben. Um den Vergleich noch sinnfälliger zu machen, hatte man Bluhms Bart wegretuschiert.
Den ganzen Tag lang hielt Gloria das Schlimmste von Justin fern, da sie befürchtete, es werde ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Er bestand jedoch darauf, alles zu sehen, und zwar ungeschminkt. So wurde es Abend. Doch schließlich rang sie sich vor Woodrows Rückkehr durch. Sie schenkte Justin ein Glas Whiskey ein und trug widerwillig den ganzen reißerischen Stapel zu ihm hin. Beim Betreten seines Kerkers war sie hell empört, ihren Sohn Harry vorzufinden, der Justin am wackligen Kiefernholztisch gegenüberhockte, beide mit konzentriertem Stirnrunzeln über ein Schachspiel gebeugt. Eine Welle der Eifersucht erfasste sie.
»Harry, Schatz, das ist äußerst rücksichtslos von dir, den armen Mr Quayle zum Schachspielen zu nötigen, wenn –«
Aber Justin fiel ihr ins Wort. »Ihr Sohn hat einen überaus beweglichen Verstand, Gloria«, versicherte er. »Sandy wird sich noch umgucken, glauben Sie mir.« Er nahm ihr den Zeitungsstapel ab, setzte sich lustlos damit aufs Bett und blätterte ihn kurz durch. »Arnold ist sich über unsere Vorurteile sehr wohl im Klaren, wissen Sie«, fuhr er im selben beiläufigen Ton fort. »Falls er noch am Leben ist, wird er kaum überrascht sein. Und falls nicht, kann es ihm egal sein, stimmt’s?«
Aber die Presse hatte noch einen weiteren Pfeil im Köcher, tödlicher, als Gloria es sich in ihren schlimmsten Träumen hätte vorstellen können.
***
Unter den etwa ein Dutzend kleinen, mehr oder weniger im Einmannbetrieb hergestellten und vertriebenen örtlichen Blättchen, die das Hochkommissariat abonniert hatte, gab es eins, das ein besonders bemerkenswertes Talent an den Tag legte, nicht unterzugehen. Es nannte sich, ganz schmucklos, AFRIKA KORRUPT, und seine publizistische Strategie – falls dieser Ausdruck anwendbar war auf die ungestümen Impulse, von denen es angetrieben schien – bestand darin, Schlamm aufzuwühlen ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe, Wahrheit oder deren Konsequenzen. Angebliche Fälle von Diebstahl, begangen von Ministern und Bürokraten der Regierung Moi, wurden darin ebenso angeprangert wie der »gaunerische und korrupte Lebensstil« von Entwicklungshilfe-Bürokraten.
Das fragliche Blatt – hinfort als Ausgabe 64 bekannt – war jedoch keinem derartigen Thema gewidmet. Es war ein einzelner, beidseitig bedruckter, grellrosa Papierbogen von fast einem Quadratmeter
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