Der ewige Gaertner
Hexenjagd auf bestimmte Minister der kenianischen Regierung eröffnet! Ich meine, Gott – es ist ja nicht so, dass wir Briten über Korruption erhaben wären. Soll der kenianische Hochkommissar in London uns auffordern, unseren Stall aufzuräumen?«
»Das ist reinster Humbug, und das wissen Sie auch«, faucht Tessa. Ihre Augen funkeln.
Er hat nicht mit Mustafa gerechnet, der leise eingetreten ist und mit großer Sorgfalt zunächst einen kleinen Tisch auf den Teppich zwischen ihnen stellt, darauf dann ein silbernes Tablett mit einer silbernen Kaffeekanne und dem mit Shortbread gefüllten silbernen Konfektkorb ihrer verstorbenen Mutter. Diese Störung inspiriert offensichtlich Tessas stets wachen Sinn fürs Theatralische, denn sie kniet sich aufrecht vor den kleinen Tisch – die Schultern gestrafft, sodass ihr Kleid über den Brüsten spannt – und verziert ihre Worte mit humorvollen Spitzen über seine geschmacklichen Vorlieben.
»Wie war das noch gleich, Sandy, mögen Sie ihn schwarz oder mit einem Hauch Sahne?«, fragt sie gespielt vornehm. Dies ist das Pharisäerleben , das wir führen – gibt sie ihm damit zu verstehen –, vor unserer Tür liegt ein ganzer Kontinent im Sterben , und wir stehen oder knien hier und trinken Kaffee von einem silbernen Tablett , während nur eine Straße weiter Kinder verhungern , Kranke sterben und miese Politiker das Land ruinieren , die nur aufgrund von falschen Versprechungen gewählt wurden . »Eine Hexenjagd – wo Sie gerade davon sprechen – wäre ein ausgezeichneter Anfang. Ich sage: Prangert sie an, schlagt ihnen die Köpfe ab und stellt sie dann aufgespießt am Stadttor aus. Das Problem ist nur, dass es so nicht funktioniert. Die gleiche Schandliste wird Jahr für Jahr in den Zeitungen von Nairobi veröffentlicht, und stets sind es dieselben kenianischen Politiker, die darin aufgeführt werden. Keiner wird gefeuert, keiner wird vor Gericht gestellt.« Sie dreht sich auf Knien zu ihm um und reicht ihm die Tasse. »Aber das stört Sie nicht weiter, stimmt’s? Sie sind ein Mann des Status quo. Diese Entscheidung haben Sie für sich getroffen. Man hat sie Ihnen nicht abgezwungen. Sie haben sie selbst getroffen. Sie, Sandy. Eines Tages haben Sie sich im Spiegel angeschaut und gedacht: ›Hallo, ich da, von jetzt an werde ich die Welt so nehmen, wie ich sie vorfinde. Für Britannien werde ich dabei das Bestmögliche herausholen, genau das wird meine Pflicht sein. Ganz egal, ob ich damit einigen der abscheulichsten Regime auf diesem Erdball in die Hände spiele, ich werde trotzdem meine Pflicht tun.‹« Sie bietet ihm Zucker an. Er lehnt stumm ab. »Und daher können wir uns leider nicht einigen, nicht wahr? Ich möchte protestieren. Und Sie möchten, dass ich meinen Kopf neben Ihren in den Sand stecke. Was der einen Pflicht, ist des anderen blinder Fleck. Nichts Neues.«
»Und Justin?«, spielt Woodrow seine letzte Karte nutzlos aus. »Wie passt er ins Bild, frage ich mich?«
Tessa erstarrt, als vermute sie eine Falle. »Justin ist Justin«, antwortet sie argwöhnisch. »Er hat seine Wahl getroffen, so wie ich die meine.«
»Und Bluhm ist Bluhm, nehme ich an.« Von Eifersucht und Wut getrieben, kann Woodrow das Spotten nicht lassen, obwohl er sich geschworen hat, den Namen auf keinen Fall zu erwähnen. Tessa ihrerseits ist gewillt, die Bemerkung einfach zu überhören. Sie reißt sich mit eiserner Disziplin zusammen, beißt die Lippen aufeinander und wartet, dass er sich weiter lächerlich macht. Was er denn auch tut. Und zwar gehörig. »Sie meinen nicht, dass Sie vielleicht Justins Karriere schaden könnten?«, fragt er von oben herab.
»Sind Sie deswegen zu mir gekommen?«
»In erster Linie, ja.«
»Und ich dachte, Sie wollten mich vor mir selbst schützen. Nun stellt sich heraus, dass Sie Justin vor mir schützen wollen. Wie ausgesprochen kameradschaftlich von Ihnen.«
»Ich hatte angenommen, Ihre und Justins Interessen wären identisch.«
Ein kurzes, freudloses Lachen zeigt, wie sehr der Ärger in ihr hochkocht. Doch anders als Woodrow verliert Tessa nicht die Beherrschung. »Meine Güte, Sandy, Sie sind wahrscheinlich die einzige Person in Nairobi, die auf so einen Gedanken kommen kann!« Sie erhebt sich, das Spiel ist aus. »Sie sollten jetzt besser gehen. Sonst kommen wir noch ins Gerede. Sie können beruhigt sein, ich werde Ihnen keine weiteren Dokumente schicken. Wir wollen doch den Reißwolf des Hochkommissars nicht zu sehr beanspruchen, oder? Am Ende
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