Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
sehen, Graf Urlik.« Er lächelte Morgeg zu. »Gebt den Befehl, Sir Morgeg.«
Morgeg beugte sich über die Reling und winkte den gepanzerten Männern, die jetzt ihren Platz auf der Buggalerie eingenommen hatten. Sie waren an Sitzen festgeschnallt und hatten die Taue, die ich für Ankertrossen gehalten hatte, um die Arme geschlungen. Sie hielten Peitschen in den Händen, an den Hüften trugen sie lange Harpunen. »Achtung!« rief Morgeg durch die zusammen gelegten Hände. Die Männer richteten sich auf und hoben die Peitsche. »Los!«
Zugleich schwangen die Peitschenschnüre aus und zerfetzten die Wasseroberfläche. Dreimal schnitten die Riemen tiefe Furchen in das düstere Meer, dann bemerkte ich eine Bewegung vor dem Bug und hielt den Atem an, als etwas aus der Tiefe empor tauchte.
Vier gewaltige, knorrige Schädel reckten sich in die Höhe. Sie wandten sich in die Richtung der Peitschenmänner am Bug. Seltsame, bellende Geräusche drangen aus sehnigen Kehlen. Monströse, schlangenähnliche Körper zogen eine Schaumspur durch das Wasser. Die Tiere hatten flache Köpfe, aus den Mäulern ragten lange, gerade Stoßzähne. Sie trugen Zaumzeug, und mit leichten Rucken zwangen die Peitschenmänner sie herum, bis sie auf das Meer hinausblickten.
Wieder knallten die Peitschen, und die Tiere setzten sich in Bewegung.
Mit einem Ruck kam das Schiff frei, die Schaufeln schnitten nicht durch das Wasser, sondern hielten das Schiff auf der Oberfläche wie Räder einen Wagen.
Und das war das Schiff - ein riesiger Wagen, gebaut, um über das Meer zu gleiten, gezogen von diesen häßlichen Ungeheuern, die mir vorkamen wie eine Kreuzung zwischen den Seeschlangen der alten Sagen, den Seelöwen von John Dakers Welt und einem Gutteil Säbelzahntigern.
Hinaus in dieses Alptraummeer schwammen die Alptraumgeschöpfe und zogen unser unmögliches Schiff hinter sich her.
Die Peitschen knallten lauter, und die Treiber riefen den Tieren Befehle zu, die daraufhin ihre Geschwindigkeit vergrößerten. Die Räder drehten sich schneller, und bald war Rowenarcs furchtbare Küste hinter düsteren, braunen Wolken verschwunden.
Wir waren allein auf diesem namenlosen, höllischen Meer.
Bischof Belphig wirkte lebhafter, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er hatte den Helm aufgesetzt und das Visier geöffnet. In diesem stählernen Rahmen wirkte sein Gesicht noch schlaffer.
»Nun, Graf Urlik. Was haltet Ihr von unseren Maschinen?«
»Ich habe noch nie solche Tiere gesehen. Wie werden sie abgerichtet?«
»Oh, sie wurden für diese Arbeit gezüchtet - es sind Haustiere. Einst gab es in Rowenarc zahlreiche Wissenschaftler. Sie erbauten unsere Stadt, nutzten die Hitze der Feuer, die immer noch im Erdinnern brannten. Sie entwarfen und bauten unsere Schiffe. Sie züchteten unsere verschiedenen Lasttiere. Aber das alles liegt tausend Jahre zurück. Jetzt brauchen wir keine Wissenschaftler mehr ...«
Ich fand diese Bemerkung recht eigenartig, aber das sprach ich nicht aus. Statt dessen fragte ich: »Und was werden wir jagen, Fürst?«
Belphig holte tief Atem. »Nichts Geringeres als den Seehirschen. Es ist ein gefährliches Unterfangen. Wir alle können den Tod finden.«
»Der Gedanke, auf diesem schrecklichen Meer zu sterben, ist nicht gerade angenehm«, meinte ich.
Er kicherte. »Ja, ein abscheulicher Tod. Vielleicht der schlimmste Tod, den diese Welt zu bieten hat. Aber gerade darin liegt der Reiz, findet Ihr nicht?«
»Für Euch vielleicht.«
»Aber nicht doch, Graf Urlik. Ich dachte, Ihr hättet begonnen, unsere Art zu leben zu genießen.«
»Ihr wißt, daß ich für Eure Gastfreundschaft dankbar bin. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt. Aber ›genießen‹ ist nicht gerade der Ausdruck, den ich gewählt hätte.«
Er leckte sich die Lippen, seine blassen Augen glänzten lüstern. »Aber das Sklavenmädchen, das ich Euch geschickt hatte .«
Die kalte, salzige Luft machte mir das Atmen schwer. »Ich hatte einen Alptraum, kurz bevor ich sie in meinem Bett entdeckte. Und ich glaubte, sie wäre nur ein Teil dieses Alptraums.«
Belphig lachte und schlug mir auf den Rücken. »Oh, Ihr Heimlichtuer! Aber in Rowenarc braucht Ihr nicht so diskret zu sein. Das Mädchen hat mir alles erzählt!«
Ich wandte mich ab, legte beide Hände auf die Reling und starrte über die düstere Wasserfläche. Salziger Schaum hatte sich in meinem Bart festgesetzt und verbrannte meine Haut. Der Schmerz war mir willkommen.
Die Zugtiere kämpften sich
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