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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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einer Million Dingen, die Geiger aus ihren vierundzwanzig Stunden Gemeinsamkeit behalten hatte. Der Junge hatte das Tier augenblicklich gemocht.
    »Wie heißt er?«, hatte der Junge gefragt.
    »Kater.«
    »So nennen Sie ihn? Kater? Sie sollten ihm einen richtigen Namen geben«, hatte der Junge ausgerufen. »He, Sie könnten ihn Tony nennen – nach Tony Montana.«
    Der Name hatte Geiger nichts gesagt. »Wer?«, hatte er gefragt.
    »Na, Tony Montana! Al Pacino? In Scarface .« Geiger hatte ihn verständnislos angesehen. »Kennen Sie den nicht? Scarface – den Film?«
    »Ich gehe nicht ins Kino.«
    »Okay, aber irgendeinen Namen sollten Sie ihm trotzdem geben. Kater ist irgendwie blöd.«
    Und wenn Geiger nun mit dem Kater sprach, war der Junge jedes Mal bei ihnen.
    Geiger hob den Hammer und schlug mit gerade so viel Kraft auf das Polierleder, dass die Intarsie sich tiefer hineinschob – einmal, zweimal –, dann nahm er das Leder weg und fuhr mit der Hand über das Holz. Glatter Übergang. Bündig. Perfekt.

7
    Harry folgte der 125th Street nach Osten. Beschallt von der dröhnenden Musik aus den Ghettoblastern, beobachtete er die Umtriebe der Straßenhändler mit gefälschten Rolex-Uhren, Sonnenbrillen und was zum Rauchen und kam an einem soulseligen Saxofonspieler und drei schweigenden Männern in Anzügen vorbei, die Prospekte anboten. Immer wieder erlebte er Momente, in denen schlagartig etwas aufkam, das an Heiterkeit grenzte. Er war wieder in der Welt, auf der Straße, und ging irgendwohin.
    Geigers Wiederauferstehung war für Harry eine Art von Neugeburt gewesen. In der gleichen Nacht noch war er nach Chinatown zurückgekehrt, hatte sich seinen Laptop und ein paar Daten-DVDs geschnappt und die Wohnung verlassen, ohne die Tür abzuschließen. Im Taxi nach Brooklyn hatte er sich im Rückspiegel betrachtet und ein so breites Grinsen in seinem Gesicht entdeckt, dass er sich damit vorkam wie ein irrsinniger Fremder. Als er zu Hause angekommen war, hatte er als Erstes lange geduscht und sich dann den ungeliebten Bart abrasiert. Danach hatte er sich ins eigene Bett gelegt, eine Notiz gemacht, einen neuen Drachenbaum zu kaufen, und war in einen luxuriösen, traumlosen Schlaf gefallen.
    An der Second Avenue bog er nach links in nördlicher Richtung ab. Das Erdgeschoss des dreistöckigen Gebäudes vor ihm beherbergte eine westafrikanische Boutique. Harry war zum ersten Mal hier. Bisher hatte er von seinem Versteck in Chinatown aus gearbeitet. Der Seiteneingang des Gebäudes lag in einer schmalen Gasse. Zwei Stufen führten hinunter zu der pockennarbigen grauen Stahltür mit drei Schlössern. Harry drückte den Knopf der Gegensprechanlage. Darüber war ein kleines Objektiv eingelassen.
    »Komme«, sagte eine Stimme.
    Mit Bewegungsmeldern gekoppelte Lampen und zwei runde Metallspiegel an der gegenüberliegenden Wand erlaubten es, die Gasse vom Innern des Gebäudes aus zu überschauen. Harry grinste über die Ironie, denn so besessen Matheson vom Gedanken an Entdeckung und Überfall auch war, in dieser Stadt stellten seine Sicherheitsmaßnahmen den Normalfall dar. Von Harlem bis SoHo konnte man ein Dutzend Schlösser, Spiegel und Überwachungskameras haben, ohne dass irgendein Passant darauf einen zweiten Blick verschwendete. Das machte es perfekt für Veritas Arcana. In einer Welt, in der mit jedem Tag weniger verborgen werden konnte und mehr enthüllt wurde, war der Paranoiker derjenige, der am vernünftigsten handelte.
    Harry hörte, wie die Schlösser entriegelt wurden. Die Tür öffnete sich knarrend. David Matheson sah schrecklich aus. Zwei Monate war es her, dass Harry ihn zuletzt gesehen hatte, als Matheson wegen einiger Softwareinstallationen zu ihm gekommen war. Waschbäraugen blickten aus einem bleichen, unrasierten Gesicht, die hohe, muskulöse Statur verbarg sich unter einem hellbraunen Kapuzenshirt, dessen Ärmel mit Kaffeeflecken gesprenkelt waren, und die Füße steckten in ramponierten, schmutzigen Dockers. Er strich sich das lange, dunkle Haar aus der Stirn und zog an seiner Zigarette.
    »Hi«, sagte er.
    Harry trat in den dunklen Eingang vor, der nach Rauch, Popcorn und abgestandener, eingeschlossener Luft roch. Matheson schloss die Tür, verriegelte sie und ging einen kurzen Korridor entlang zu einer Lichtpfütze. Harry folgte ihm.
    Die Welt hatte sich mit schwerem Hammer gegen Matheson gewandt. Seine rücksichtslose Leidenschaft für Wahrheit und Enthüllung hatte seinen Sohn in ernste Gefahr

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