Der Experte: Thriller (German Edition)
und Ezra zu Hause in Sicherheit war …
»David«, sagte Harry, »du machst gute Arbeit. Wichtige Arbeit.« Er schob die Programm-CD ins Laufwerk. »Du hast aus beruflichen Gründen eine Entscheidung gefällt und nicht damit gerechnet, dass sie sich Ezra holen könnten. Vielleicht hast du nicht sorgfältig genug nachgedacht. Ich weiß es nicht.« Auf dem Bildschirm erschienen ein Fernrohr und in chromglänzenden Buchstaben der Schriftzug VIDEO VERIFY . »Hast du es versaut? Ja. – Und jetzt zahlst du dafür den Preis. So geht das normalerweise, David. Wir versauen etwas und bezahlen dafür. Wenn Ezra älter wird, sieht er die Dinge vielleicht in einem größeren Zusammenhang.«
Mathesons trauriges Lächeln kehrte zurück. »Wie kommst du zu solcher Weisheit, Harry?«
»Indem ich Dinge versaute – eine Menge. Wo ist die E-Mail?«
»Postfach V-A-3, Betreff X-X-X.«
Harry klickte auf die Mail, und sie trat auf den Bildschirm. Er sah sechs Textzeilen:
Kopie von mail von Argent Industries nach Kabul. Geheime milionen für Reg.-Verträge. email ist eine von 4. Foto ist 1 von 6 von handy vom 24/4. Ich sein versteckt bei Paris. Kein Geld. Brauch Geld für Frau und Kind holen aus Kabul. Wenn sie alle Fotos und emails wollen müssen sie arrang. und kommen. Ist 7000 euros genug? Sie gute arbeit tun. Suchen wahrheit. Antworten bitte.
Harry scrollte zu einem Foto mit zwei Männern. Darunter war eine Kopie einer anderen E-Mail in einer anderen Schrift.
Auslagen f. sp. und gr. BKF werden beträchtlich; wir gehen bis 600 M, wenn wir nur über Leitungen für Ö u. NG u. Raff. reden. Wenn sie das mit dem Mohn noch mal überdenken, sind wir bei 9. Wir finden es wichtig, dass es vor der nächsten Wahl geklärt wird, aus offensichtl. Gründen.
Harry rieb sich das Kinn. »Sechshundert Millionen für die Rechte an Öl- und Erdgasleitungen und die Raffinierung?«
»Das nehme ich an.«
»Und was soll das mit dem Mohn, mit dem man auf neunhundert Millionen kommt?«
Matheson lächelte matt. »Schlafmohn? Opium?«
»Und S-P, G-R und B-K-F?«
»Briefkastenfirmen. Griechisch und spanisch?«
Harry lehnte sich zurück. Schließlich nickte er. »Argent Industries kauft Afghanistan. Wow.«
»Klingt ganz danach.«
Harry richtete sich auf und ließ die Fingerknöchel knacken. »Das wird eine Weile dauern, David. Ich muss das Foto Pixel für Pixel untersuchen und vergleichen.«
Matheson klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. »Ich gehe eine rauchen.« Er öffnete die Tür, verließ den Raum und schloss sie hinter sich.
Harry setzte die Finger auf die Tasten, aber etwas ließ ihn innehalten. Es war ein Klicken in seinem Kopf, ein langsames, rhythmisches Ticken – angenehm, vertraut und lange vermisst. Er sah aus wie jemand, der sich an einen Lieblingssong erinnert, den er seit Jahren nicht mehr gehört hat. Es war das Geräusch, das er gehört hatte, als er noch Times- Reporter war – das Schnarren seines Objektivs, wenn es sich scharf stellte und auf etwas fokussierte, dessen Bedeutung möglicherweise über das Gewöhnliche und Alltägliche hinausging. Es fühlte sich gut an.
Während Matheson rauchte, ging er langsam auf und ab und zog dabei eine weiße, wehende Fahne hinter sich her. In letzter Zeit konnte er nicht mehr ruhig auf einer Stelle stehen. Ein medizinisch geschulter Beobachter hätte vielleicht gefolgert, dass er an einer milden Form von Akathisie litt oder vielleicht ADHS. Doch der Motor von Mathesons Ruhelosigkeit saß in seiner Seele, nicht in seinem Gehirn oder seinen Muskeln, und er lief mit einer hochoktanigen Mischung aus Eifer, Empörung und Gewissensbissen. Die ersten beiden Komponenten waren Munition für seine Online-Kreuzzüge, die dritte ein konstanter Quell der Melancholie – Blut aus einer offenen Wunde, der Trennung von seinem Sohn.
Er war reich und wurzellos aufgewachsen, sich nur allzu deutlich seines Mangels an Fähigkeiten bewusst und von dem Wunsch getrieben, irgendetwas zu können. Seine einzige Leidenschaft, Kunst, brachte ihn schließlich zu einem Beruf – Makler für den Kauf und Verkauf von Gemälden und Antiquitäten. Diese Tätigkeit gefiel ihm gut – Reisen in exotische Länder, kurze Begegnungen mit Leuten, die nicht erwarteten, dass man sich um innere Nähe bemühte, und ein gewisses Gefühl, etwas zu leisten, auch wenn er nie etwas schuf oder produzierte. Dann fegten ihn, wie so viele, die Druckwellen des 11. September 2001 von seinem Weg, und er fand sich auf
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