Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
schwitzte und stank. Der Junge sah keine Notwendigkeit, Pyjamahose und T-Shirt gegen etwas anderes zu tauschen. Manchmal, wenn der Vater am Küchentisch sitzend eingenickt war, schlich er in die Küche und stahl ein Stück Brot, tunkte es ins La-Bonne-Maman-Glas, verschlang es hastig. Ehe er sich wieder in seinem Zimmer verkroch, richtete er das umgefallene billige Wasserglas auf, das der Vater für seinen Schnaps verwendete. Es fiel jedes Mal beim Einnicken des Vaters um und rollte über den abgeschabten Holztisch.
Irgendwann trank der Vater direkt aus der Flasche. Aus einer klaren Flasche mit wasserheller, scharf riechender Flüssigkeit wurden mehrere. Der Vater brütete nur noch dumpf vor sich hin, weder wach noch schlafend, in einem Dämmerzustand, blinzelte aus verquollenen Augen träge in die Welt.
Seine Mutter lag und schwieg und begann, schlecht zu riechen, aber anders als sein Vater.
Zeit verging, ohne dass der Junge hätte sagen können, wie viel.
Er las immer wieder in der Bibel. Fand Trost in den uralten, ewiggleichen Worten.
Anfangs klingelte noch manchmal das Telefon. Irgendwann tappte der Vater schwerfüßig in den Flur und riss unartikuliert fluchend das Kabel aus der Wand. So hörte auch das auf.
Noch absoluter, die Stille.
Ein paarmal kamen Männer in blauen Uniformen. Sie klingelten, und der Vater schrie herum, und sie gingen wieder. Der Geruch der Mutter wurde immer schlimmer, aber seinem Vater schien es nichts auszumachen.
Der Junge sah Nachbarn ums Haus schleichen. Sah sie aufs Haus zeigen und miteinander reden.
Dann kamen die Märchenkrieger. Auch sie klingelten, aber diesmal schrie der Vater nicht einmal. Er wurde ganz still. Sie klingelten noch einmal, und irgendwann rammten sie von außen etwas gegen die Tür, bis sie nachgab: große Männer in schwarzen Rüstungen mit feuerspeienden Waffen, dunklen Visieren vor den Helmen und Kästen am Gürtel, aus denen laute Stimmen krächzten.
Einer der Märchenkrieger packte ihn, zog sein T-Shirt am Rücken hoch und sprach hektisch in ein Kästchen, das von seinem Helm baumelte.
Der Junge strampelte, doch der Märchenkrieger ließ ihn nicht los.
Dann Sonnenlicht; jemand strich eine kühlende Salbe auf seinen Rücken. Kälte breitete sich in ihm aus, der Schmerz, sein treuer Begleiter, huschte davon, und etwas in ihm erfror.
Der Märchenkrieger, der ihn ins Freie gebracht hatte, trug ihn zu einer großen Kutsche. Vorne stand „Police“ drauf, spiegelverkehrt. Dann war Hektik hinter ihnen, und der Junge sah den menschenfressenden Riesen, der sein Vater war, ins Freie rennen, gefolgt von einigen der Schwarzen Ritter. Der Vater hatte ein langes Tranchiermesser in der Hand. Er brüllte. Er stürzte sich auf einen der Ritter.
Einer der anderen Männer in den schwarzen Rüstungen hob seine Waffe. Keine feuerspeiende Lanze. Zu klein dafür. Eine … Pistole. So hieß das in der Welt der Erwachsenen, erinnerte sich der Junge. Ein Knall. Dann noch einer.
Der Riese – sein Vater – zuckte zweimal, und rote Blutrosen erblühten hinten auf seinem dreckigen Unterhemd. Er schlug mit dem Gesicht voran aufs Pflaster.
Ein Schrei – des Riesen? Sein eigener?
Endlich weinte der schmächtige Junge, der auf den Namen Kris Manet hörte.
Irgendwann später schlief er ein, ohne recht zu wissen, wohin ihn die Märchenkrieger gebracht hatten.
Zusammengerollt wie ehedem im Leib seiner verhärmten Mutter.
In seinen Händen, von bleichen, dünnen Fingern umkrallt, die abgegriffene schwarze Bibel.
Als wolle er sie nie mehr loslassen.
12
Einer von uns
11.3.2011, 20:12
Ein Haus in der Nähe des Jardin du Luxembourg
Quartier Latin, Paris
„Mafro, du mieser kleiner Wichser! Du ... du Schwanzlutscher!”
Er riss den exklusiven
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