Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
es doch aus dem Mund seines Vaters.
„Guillaume, bei Gott, an den Gerüchten ist nichts dran, sage ich dir, gar nichts.“
„Bei Gott? Scheinheilige Frömmlerin!“ Der Vater wurde immer lauter. Der Junge konnte die Wut, die in heißen Wellen von ihm ausging, bis in sein angstvolles Nest spüren. Vor seinem geistigen Auge sah er den Vater, groß, schwer, massig und schweißtriefend, stinkend nach Alkohol und Zigaretten, über der Mutter aufragen, die sich nicht zu wehren wusste.
„Rennst jeden Sonntag in deine Scheißkirche, betest mit den Frömmsten, aber für den Kirchendiener die Beine breit machen! Und mir, mir bringst du diesen Bankert heim, und ich muss ihn durchfüttern, den Dreckslümmel, und jeden Tag seh’ ich ihm ins Gesicht und denke: Er ist nicht von mir!“
Der Junge weinte.
„Aber jetzt ist Schluss!“, schrie der Vater. Er hatte sich mittlerweile so in Rage gebrüllt, dass sich seine Stimme überschlug.
„Aber Guillaume, so glaub mir doch!“, wagte die Mutter einzuwerfen.
„Halt den Mund!“ Ein Schrei, so laut, dass die Glasscheiben der billigen Anrichte zitterten. Geschirr zerbrach.
„Nein … Guillaume … nicht! Hör doch auf.“
Scheppern. Klirren. Das Bersten von Glas und von Porzellan. Wimmernd protestierte die Mutter. Doch das stachelte den Rasenden, den außer Kontrolle Geratenen, scheinbar noch an. Immer mehr ging zu Bruch. Dann hörte der Junge ein Geräusch, ein wohlbekanntes Geräusch, den Klang des Furchtbaren. Sein Vater zog den Gürtel aus den Schlaufen.
„Dich werd ich das Herumhuren lehren.“
Dann kamen die Schläge. Dumpf und dennoch knallend. Die hohen, spitzen Schreie seiner Mutter. Mit jedem Knall fuhr ein Zucken durch den mageren Leib des Jungen an der Tür, als würde er selbst geschlagen. Irgendwann war der Gürtel nicht mehr genug. Der Vater nahm die Fäuste, seine fleischigen Schmiedehämmer von Männerfäusten, zu Hilfe, unterstrich Hieb um Hieb, was er zu sagen hatte:
„Du … machst … mir … keine … Schande … mehr. Du … nicht, … Inès. Du … nicht.“
Irgendwann hörte die Mutter auf zu schreien. Scheinbar hörte jeder irgendwann auf damit. Der Junge … der Junge selbst hatte schon lange aufgehört.
Er ging barfuß in die Küche. Überall waren Scherben. Inmitten der Scherben lag seine Mutter. Sie schaute zur Decke, aber es sah nicht so aus, als könnten ihre Augen überhaupt noch etwas erkennen. Ihre Kittelschürze war zerrissen. Da war Blut in ihrem Gesicht, Blut an ihrem Kopf.
Blut auch auf dem Küchenboden.
Ihr einer Arm war in einer Bewegung erstarrt, die ein Menschenarm eigentlich nicht machen können sollte.
Sie sagte kein Wort.
Instinktiv wusste der Junge, seine Mutter würde nie mehr etwas sagen.
Sein Vater stand mitten im Raum, schwer atmend, und die Vorderseite seines dreckigen Unterhemdes war getränkt von Schweiß und Blut.
Langsam, ruckelnd wie in einem alten, verwackelten Dick- und-Doof-Film, drehte der Vater den Kopf zu ihm um.
Stierte den Jungen an.
Sagte lange nichts, glotzte nur.
Dann:
„Jetzt ist sie still.“
Zögerlich nickte der Junge, war sich nicht sicher, was der Vater von ihm erwartete.
„Die Hure. Die Dreckfotze.“
Wieder Worte, von deren Bedeutung der Junge noch keine rechte Ahnung hatte. Aber er hatte Angst, mit einer Nachfrage oder gar Widerspruch den verrauchten Zorn des Vaters wieder zu wecken, also nickte er schüchtern.
Sein Vater lächelte ein komisches Lächeln.
„Jetzt wird alles gut“, sagte der klobige Mann. Setzte sich an den Küchentisch, den Blick stier auf die reglose Frau, seine Frau, gerichtet.
Dann noch einmal, leiser, fast wie zu sich selbst, beinahe, als müsse er es sich selbst glauben machen: „Jetzt wird alles gut.“
Der Vater begann zu trinken.
Es wurde Nacht, und es wurde Tag. So ging es mehrmals.
Der Vater saß und soff,
Weitere Kostenlose Bücher