Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
trennen, wenn dieser sogenannte Facebook-Killer hinter Gittern saß.
Zwischenspiel 3
Die Schläge waren hart und unerbittlich. Der alte braune Ledergürtel traf seinen Rücken, seinen nackten Hintern, sandte Woge um Woge des Schmerzes durch seinen Körper.
Seine eigenen Schreie hallten in seinen Ohren wider. Das Flehen seiner Mutter, vergeblich, weinerlich, nutzlos. Sie beschwor den Vater aufzuhören, ein ums andere Mal, versuchte, zu ihm durchzudringen, aber er reagierte nicht, er sagte kein einziges Wort.
Er schlug und schlug und schlug.
Die Wut glomm in ihm und nahm ihm die Sprache. Da war Bier in seinem Atem und Pastis und Hass, so viel Hass, und der Rauch der Kippen, natürlich, der allgegenwärtigen Kippen, aber keine Sprache, kein Wort, keine einzige Silbe.
Eine Welt aus Schmerz. Der Gürtel tanzte eine Mazurka auf seinem Kinderrücken. Tanzte und sprang in seinem eigenen, knallenden Rhythmus. Ließ blutige Striemen blühen … und es gab kein Entkommen.
Wieder und wieder traf ihn der Gürtel, die beißende Lederzunge, mit der der väterliche Zorn sprach.
Irgendwann wollte er auch gar nicht mehr weglaufen.
Seine Mutter sah schweigend zu.
Später dann: der Vater am Küchentisch, Feinripp und Cordhosen, verschwitzt von den Mühen seiner Erziehung, verhüllt vor den Augen von Frau und Kind von den blauen Rauchschwaden der Gitanes Mais im Nachmittagslicht. Der Junge, verkrümmt und schluchzend, zusammengerollt in der Ecke auf dem fettfleckigen, braunen, abgetretenen Linoleumboden. Die Mutter, Kittelschürze und graues Gesicht, stumpfes Haar und müder Blick, Hände ringend und ebenso sprachlos wie der Klotz, den sie einst geliebt hatte, der Mann, mit dem sie mittlerweile nur noch die Angst und der Hass verbanden.
Er schlich sich hinaus aus der Wohnküche, gekrümmt noch vom Schmerz, in sein Zimmer, rollte sich behutsam auf dem Bett zusammen, die Knie angezogen bis an die schmächtige Brust, lautlos bebend vor innerem Schluchzen, das herauswollte und doch nicht konnte. Seine dünnen Finger mit den abgekauten Nägeln tasteten auf den Nachtisch, den alten Nachttisch, ererbt von der Großmutter, und da war sie, auf der rissigen Marmorplatte.
Seine kleine schwarze Bibel, Goldschnitt und Ledereinband, anbetungsabgegriffen. Tastend legten sich seine Finger darum, schlossen sich wie die Krallen eines kleinen, verschreckten Vogels darum.
Bebende Finger öffneten die Heilige Schrift, betasteten zuvor die Goldprägung auf dem vorderen Einband:
GOTTES WORT.
Gott.
Ein strafender Vater auch er.
Der seinen Sohn geopfert hatte. So hatten sie’s im Gottesdienst gelernt, und so stand es in seiner Heiligen Schrift.
Seine Finger nestelten an dem zerfaserten, einst weißen, nun aber schmutziggrauen Lesebändchen. Schlugen die Stelle auf, die er so oft suchte, so oft brauchte. Psalm 119.
Das ist mein Trost in meinem Elend; denn dein Wort erquickt mich
.
Er erwachte von den Stimmen aus der Küche, schräg über den Flur. Hoch, fast falsettartig und doch heiser, seine Mutter:
„Er kann nichts dafür. Lass deinen Zorn doch nicht immer an dem Jungen aus.“
„Dem Jungen, gut gesagt.“ Der rumpelnde Bass des Vaters, inakkurat vom Alkohol, verschliffene Endungen und schwere Zunge. „Bin ja froh, dass du nicht ‚an deinem Sohn‘ gesagt hast.“
„Fang nicht wieder damit an. Ich schwöre dir …“
Das Poltern eines umfallenden Stuhls. Schwere Schritte. Der Junge stand auf, huschte lautlos zur Tür, presste angstvoll sein Ohr gegen das eierschalenfarben lackierte dünne Holz.
Lauschte.
„Schwören willst du? Versündige dich nicht, du … du Metze.“
Der Junge hatte keine Vorstellung davon, was das war, eine Metze, doch er zweifelte keine Sekunde daran, dass es etwas Furchtbares war, kam
Weitere Kostenlose Bücher