Der Facebook-Killer
befanden.“
Gezas Magen knurrte so laut, dass sie fürchtete, die beiden Männer im Sektionssaal könnten es hören. Geistesabwesend angelte sie sich ein Croissant aus der Tüte.
„Kein Rauch?“ Fronzacs Stimme wurde immer lauter. „Bedeutet das etwa, sie …?“
„…starb vor Ausbruch des Brandes, genau. Schau mal.“
Geza biss in das Croissant. Krümel rieselten in absurden Mengen auf ihren Pulli. Sie reckte den Hals, um auch sehen zu können, was Raphaël Fronzac zeigte.
„Das hier hatte ich aufgrund der Rußverschmutzung und ihres langen Haares bei der ersten flüchtigen Inaugenscheinnahme nicht gesehen. Ein stumpfes Schädeltrauma, das zu einem epiduralen Hämatom führte, also einer Einblutung zwischen Schädelknochen und der harten Hirnhaut. Ursache war ein äußerst brutaler Schlag auf den Hinterkopf mit einem stumpfen Gegenstand. Der Schaden am Gehirn war massiv genug, dass sie kurz nach dem eigentlich Schlag starb.“
„Du meinst, der Täter hat Mademoiselle Tourrende niedergeschlagen, die Bewusstlose in diesen Spind gestopft … und was dann? Wenn der Schlag tödlich war, wollte er mit dem Brand dann nur seine Spuren verwischen?“
„Dagegen spricht das Levitikus-Zitat, das wir bei ihr fanden und das ganz eindeutig Bezug auf einen Feuertod nimmt.“ Mit diesen Worten stieß Geza den anderen Türflügel ebenfalls auf und betrat den Sektionssaal. „Für mich klingt das eher, als habe sie sich nach dem erzwungenen Anruf bei Ihnen zu wehren versucht, und er musste sie ruhig stellen. Dabei hat er eben etwas zu fest zugeschlagen.“ Pause. Dann setzte sie grimmig hinzu: „Nein, was das Schwein wollte, war eindeutig, dass diese junge Frau“, - ihre Hand deutete flüchtig auf das kalkweiße Etwas unter dem grünen Tuch, an dessen Kopf sich Mafro und der Pathologe gerade zu schaffen machten –, „im Feuer umkommt.“
Mafro sah überrascht auf; offenbar hatte ihr Magen doch nicht so laut geknurrt. Seine einzige Reaktion auf Gezas klare Worte war ein fast schon krampfhaftes Zusammenbeißen der Zähne.
Geza musterte ihn. Er trug tatsächlich einen anthrazitgrauen Anzug mit Weste, allerdings ohne Krawatte. Dafür leistete er sich den Luxus eines weißen Einstecktuchs. Im Gegensatz zu ihr hatte er sich offenbar die Zeit genommen zu duschen. Aufs Rasieren hingegen hatte er – zweifellos bewusst – verzichtet. Fronzac rieb sich nachdenklich das Kinn.
Die Wölfin zog anerkennend beide Brauen hoch.
„Guten Morgen, Docteur Wolf“, grüßte Raphaël Zach. „Willkommen im Hades.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr fort: „Ich nehme an, Sie haben das Wichtigste … beim Hereinkommen gehört?“
Geza nickte. Wortlos reichte sie dem Pathologen die Tüte mit den Croissants.
Er nahm sie und warf einen Blick hinein. „Ich habe unterwegs an einer Brasserie haltgemacht. Ich habe gehört, Sie mögen Croissants“, kommentierte Geza ihr Mitbringsel. „Bedienen Sie sich.“
Fronzac grinste. „Ich werde nie verstehen, wie du direkt neben einer Leiche stehend essen kannst, Raphaël.“
Der Angesprochene zuckte die Achseln und begann zu kauen.
Fronzacs Blick wanderte zu den Krümeln und Blätterteigstücken auf Gezas Pulli. Die wandte sich von der übel nach Formaldehyd riechenden Frauenleiche auf dem Metalltisch ab und rang um Selbstbeherrschung. Ihr zitterten die Knie.
„Alles in Ordnung, Geza?“, fragte Fronzac mit echter Besorgnis in der Stimme. „Geza?“
Sie taumelte ein paar Schritte von Michelle Tourrendes Leichnam weg. Sie hasste es, Schwäche zu zeigen, verabscheute sich dafür, sich ausgerechnet vor Fronzac, den sie als einen ihrer Patienten betrachtete, eine solche Blöße zu geben. Aber diese weißviolette Haut, der Gestank, der Ansatz des Y-Schnitts … Geza holte tief Luft. Sie schmeckte nach Desinfektionsmittel, Chlor, Rauch und Tod. Geza wurde übel.
In dem Moment klingelte Fronzacs Handy. Er fischte es aus der Jackettasche, drückte den grünen Knopf und sagte knapp: „Ja?“
Einen kurzen Augenblick lang lauschte er in das kleine Gerät, und sein Kiefer spannte sich noch mehr an. Dann hörte die Wölfin ihn antworten: „Ja. Ich verstehe. Wo genau? Wir kommen. Nein, keine Sorge, wir sind praktisch schon unterwegs.“
Er unterbrach die Verbindung, und sein Blick fiel auf Geza.
„Das war der Commandant. Es hat einen Mord gegeben. In La Villette.“
„Wieder eine Frau?“
„Nein, das Opfer ist laut Bavarois männlich.“
„Dann ist es nicht unser
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