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Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
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Boulevard Flandrin, in der Danielle wohnte und praktizierte, in dieser verregneten Winternacht zu ruhig, und das beunruhigte den silberhaarigen Finanzberater.
    Nicolas de Ségur hatte schon Danielles Mann in Geldfragen mit Rat und Tat zur Seite gestanden, aber ziemlich bald nach dem unerwarteten Tod Sebastiens hatte es zwischen den beiden gefunkt; Danielle hatte den „cleveren, unbeschnittenen Jungen“, wie ihr Mann Nicolas gern genannt hatte, immer schon attraktiv gefunden, und nun hatte es keinen Grund mehr gegeben, es ihm nicht zu zeigen. Sie hatte sich nicht an der Tatsache gestört, dass Nicolas verheiratet war, und er hatte sich davon auch nicht aufhalten lassen.
    Er parkte am Straßenrand hinter einem dunklen, verbeulten Geländewagen, der offenbar schon einige Jährchen auf dem Buckel hatte, stieg aus und überquerte die Straße; auf dem Bürgersteig vor Danielles Haus begegnete er der zierlichen, blonden Studentin, die ein paar Häuser weiter noch bei ihren Eltern wohnte und um diese Zeit regelmäßig mit ihrem schwarzen Labrador Gassi ging. Die beiden nickten einander im Vorübergehen zu, wie man eben jemanden grüßt, den man durch wiederholtes Sehen flüchtig kennt, und gingen dann ihrer Wege. Nicolas folgte dem Gartenweg zur Haustür hoch, zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und ließ sich selbst ein. Im Erdgeschoss, vier Treppen hoch, lag ihre Praxis, im ersten Obergeschoss lebte seine kluge, wunderschöne, kultivierte Geliebte. Nicolas wollte Danielle wie üblich schon im Treppenhaus einen Gruß nach oben entgegenrufen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Als er das Treppenhauslicht einschaltete, sah er Danielle oben auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür am Boden sitzen. Sie trug Rock und Bluse, aber keine Schuhe. Ihr Makeup war tränenverschmiert, ihre Frisur komplett zerstört, aus dem Haar war ihr Blut über Schläfe und Hals gelaufen, und ein breites Stück schwarzen Gaffertapes klebte über ihrem Mund. Sie weinte stumm. Sie war also zweifellos bei Bewusstsein, wirkte aber nicht ansprechbar.
    Der Mann, der neben ihm stand, hatte etwas in der Hand – keine Pistole, aber etwas Ähnliches –, das er auf Nicolas de Ségur richtete.
    All das brannte sich in schlaglichtartig, wie ein grell ausgeleuchtetes Standbild in einem experimentellen Film, in sein Gehirn, in der Sekunde, in der seine Finger das Ganglicht einschalteten.
    Dann traf etwas mit dumpfer Wucht seine Brust, und Sekundenbruchteile später begann der schwere Leib des Finanzberaters unter heftigen Stromstößen zu zucken.
    Das Letzte, was Nicolas de Ségur in seinem Leben bewusst hörte, war die Stimme des schlanken Mannes mit dem etwas zu langen Haar.
    „So kommt nun und lasst uns ihn erschlagen und ihn in eine der Gruben werfen, und wir wollen sagen: Ein böses Tier hat ihn gefressen; und wir werden sehen, was aus seinen Träumen wird.“

6
Kreuzigung
    17.2.2011, 11:06
    Mafros Wohnung
    21 Rue Falguière, Paris
    Geza Wolf erwachte davon, dass plötzlich ein infernalisch lautes Klingeln direkt hinter ihrer Stirn einsetzte. Sie zuckte auf der durchgelegenen Couch hoch, sackte aber sofort stöhnend zurück und schwor sich innerlich, nie mehr diesen billigen Rotwein anzurühren, den ihr Fronzac nun schon zum zweiten Mal angedreht hatte.
    Überhaupt … Fronzac. Wo steckte der Kerl? Schlaftrunken sah die Wölfin sich um. Langsam wurde ihr bewusst, dass es keineswegs ein Wecker war, der diesen Höllenlärm veranstaltete, wie sie zuerst angenommen hatte. Es war Fronzacs Festnetztelefon, drüben auf dem Schreibtisch. Umständlich befreite sich Geza von der alten Wolldecke mit dem graubraunen Paisleymuster, mit der sich am Vorabend zugedeckt zu haben sie sich vage erinnerte, und versuchte dabei innerlich zu entscheiden, ob sei rangehen sollte oder nicht. Immerhin war dies eine fremde Wohnung, und wenn jemand von der Präfektur dran sein sollte, würde das nur zu unsäglichen – und vollkommen unbegründeten – Gerüchten führen.
    Die Wölfin hasste sich für diese frühmorgendliche Entscheidungslegasthenie, die sie einfach nicht los wurde. Doch ehe sie sich mit sich selbst auf eine Vorgehensweise in Sachen Telefon einigen konnte, sprang der Anrufbeantworter des Wohnungsinhabers an.
    „Hallo, hier ist Mafro. Aber das wisst ihr ja. Wer stört?“
    Um Gezas schlaftrunkener Verwirrung die Krone aufzusetzen, war es dieselbe Stimme, die einigermaßen aufgeregt antwortete:
    „Geza? Ich meine: Frau Wolf? Sind Sie da? Mafro

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