Der Facebook-Killer
größter Gefahr, Frau Kollegin.“
„Ich verstehe, was Sie meinen“, war Gezas knappe Antwort. Innerlich amüsierte es sie, wie sie und Fronzac in diesem Gespräch die Rollen getauscht zu haben schienen. Es wirkte fast so, als sei er der Psychologe und sie die ermittelnde Beamtin. In gewisser Hinsicht war das ja auch gar nicht so falsch, immerhin hatte sie in Eigenregie mit dem Täter Kontakt aufgenommen und ihm auf den Zahn gefühlt. Fronzac schien jedenfalls etwas daran zu liegen, dass sie unbeschadet aus diesem Fall herauskam.
„Wie gesagt: Seien Sie vorsichtig.”
Sie sah ihn offen an, schien beinahe leicht zu lächeln – und dennoch konnte er ihre Miene absolut nicht deuten.
Mit rumpliger Stimme – er hatte offenbar noch keinen Kaffee gehabt – fragte Fronzac: „Hat der Chat Ihnen denn irgendwelche besonderen Erkenntnisse gebracht?”
„Es hat etwas mit seiner Frau zu tun.“ Die Wölfin zuckte die Achseln. „Was genau, weiß ich noch nicht. Ich habe Commandant Bavarois heute Morgen als Erstes gebeten, sich nochmal mit Facebook Frankreich in Verbindung zu setzen. Die haben gestern erst mal gemauert. Vielleicht kooperieren die und geben uns seine Registrierungsdaten, wenn er ihnen verrät, wer da möglicherweise ihr geliebtes soziales Netzwerk als Jagdrevier nutzte.“
Sie drehte den Laptop, den sie vor sich stehen hatte, um 90 Grad, so dass Fronzac, wenn er sich etwas vorbeugte, mit auf den Bildschirm schauen konnte. Sie tippte auf den Namen VINCE VEGA in ihrer Chatleiste; daneben prangte kein grüner Punkt. „Er ist zur Zeit offline“, erläuterte sie. „Zumindest gibt er sich nicht zu erkennen, wenn er momentan im Netz ist. Aber ich glaube …“ Sie sah Fronzac nachdenklich an. „Nach dem, was wir ihm mit dem Interview gestern angetan haben, wird es nicht lange dauern, bis wir wieder von ihm hören. Sehen Sie?“ Sie scrollte ein Stück nach unten. Neben dem Avatar-Bild Vince Vegas, das Travolta in der gleichnamigen Rolle zeigte, stand als Status
… WIRD BLUTIGE RACHE NEHMEN.
Sie sahen einander an, und Fronzac brachte auf den Punkt, was beide dachten. „Wir sind gestern Abend zu weit gegangen. Wir wollten, dass er sich auf mich konzentriert … aber was ist, wenn er sich stattdessen an Zoë rächt?“
„Wie gesagt, das glaube ich nicht. Sie passt nicht in sein Schema … ich weiß nicht, was, aber mit ihr hat er etwas anderes vor. Er wird sie nicht töten.”
„Ihr Wort in Gottes Ohr.“ Mafro rieb sich mit beiden Händen das vor Erschöpfung graue Gesicht.
Geza erhob sich und begann, nachdenklich auf und ab zu gehen, soweit das die geringe Größe ihres Behelfsbüros zuließ.
„Ich bin aber andererseits sicher, dass er sein nächstes Opfer bereits anvisiert hat. Wir müssen umgehend herausfinden, wer er ist und wo er sich aufhält.“
„Schön und gut, aber wie machen wir das?“ Fronzac streckte sich in dem knarzenden, eigentlich ausgemusterten Bürostuhl, der ihr als Besuchersessel diente, und sah sie gespannt an. Sie erkannte, dass er mit seiner Kraft am Ende war. Er war einerseits vollkommen erschöpft, andererseits aber auch aus Angst um Zoë bis an die Halskrause voller nervöser Energie.
„Haben Sie Ihren Computerguru gesehen, diesen Manet?“ Sie hatte an Manets Tür geklopft, als sie vor anderthalb Stunden nach einer viel zu kurzen und viel zu schlaflosen Nacht ins Büro gekommen war, aber da hatte niemand geöffnet. Sie nahm wieder Platz und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Ich habe ihm ein verpixeltes, bis zum Erbrechen digital bearbeitetes Foto geschickt, das ich in Vince Vegas Profil gefunden habe. Ich glaube, der Mistkerl verspottet uns. Wenn der IT-Spezialist das Bild wiederherstellen kann, wissen wir entweder direkt, wie der Mann aussieht, den wir jagen, oder haben zumindest einen Hinweis. Er hat das Bild da nicht ohne Grund hochgeladen.“
„Ich fürchte, er ist jetzt richtig krankgeschrieben.“
„Verdammte … ah, da kann man nichts machen. Wer außer ihm kann uns denn in dieser Sache sonst noch weiterhelfen?“
„Mailen Sie doch mir das Bild erst mal zu. Ich bin zwar nicht so ein Crack wie Manet, aber ich denke, ich habe zumindest eine reelle Chance, die eigentliche Abbildung sichtbar zu machen.“
Geza schickte die Mail ab. „Dann mal zum zweiten Punkt des heutigen Morgens, der Ihnen nicht gefallen wird.“
Fronzac hob die Brauen. „Ich kann’s mir denken.“ Nun war es an ihm, auf und ab zu gehen. Das Schlimme war, dass er
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