Der Facebook-Killer
zur Ordnung – befand. Der Chef hatte Angst, dass er zurückfiel in den Zustand, in dem er sich nach Kyls Ermordung befunden hatte. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich Mafro zähneknirschend selbst eingestehen musste.
Er hob den Kopf und erwiderte Bavarois’ Blick so neutral wie möglich. Der Chef hatte ihn unmittelbar nach der Gründung des DSCS ins Team geholt. Mafro wusste, dass der kleine Mann, den viele nur für einen erfolgsverliebten Bürokraten hielten und damit enorm unterschätzten, große Stücke auf ihn hielt. Was sie beide verband, war die leidenschaftliche Entschlossenheit, den Serientätern, die sie gemeinsam jagten, das Handwerk zu legen. Bavarois hatte von Anfang an gewusst, dass Mafro nicht wegen der nächsthöheren Gehaltsstufe in seine Spezialeinheit gewechselt war.
Seine Spezialeinheit. Die der kleine Burgunder absolutistisch regierte wie einst der Sonnenkönig sein Reich.
„Danke, gut“, sagte Mafro. „Alles im Lot.“ Er merkte selbst, wie hohl diese Worte geklungen hatten. „Möchten Sie Platz nehmen, Chef?“
Bavarois rührte sich nicht von der Stelle, sondern ließ nur weiter diesen zugleich fragenden und wissenden Blick auf Mafro ruhen. Der entschloss sich zur Flucht nach vorn:
„Gibt es ein Problem, Monsieur le Commandant? Haben Sie irgendwelche Beanstandungen hinsichtlich meiner Arbeit?“
Bavarois trat nun doch ein, schloss die Tür hinter sich und nahm auf dem Mafros Schreibtisch am nähesten stehenden Besucherstuhl Platz. Im Licht der Lampe wirkte er noch blasser, als er tatsächlich war. Er kniff die Lippen zusammen.
„Keine Beanstandungen.“
„Ausgezeichnet … immerhin haben Sie mir ja auch meine persönliche Psychologin beschafft.“ Mafro rettete sich in den Humor und fühlte sich sofort sicherer.
„Aber fühlen Sie sich einer Untersuchung gewachsen, die Sie als Person in ihrem privaten Bereich in so starkem Maße und unmittelbar betrifft?“
„Fragen Sie meine Psychologin.“
Bavarois war mit dieser kurz angebundenen Antwort augenscheinlich alles andere als zufrieden. Doch ehe er antworten konnte, klopfte es erneut, und Fabregas streckte, ohne eine Aufforderung abzuwarten, den Kopf zur Tür herein.
„Nicht jetzt“, knurrte Bavarois. Der uniformierte Polizist beeilte sich, die Tür wieder zuzuziehen.
Bavarois wandte seine Aufmerksamkeit wieder Mafro zu. „Ich frage aber Sie. Sie müssen sich fragen lassen, Mafro, ob Sie es aushalten, die Leiche Ihrer Ex aufzufinden, die so aussieht.“ Sein Finger stach auf die Mappe auf dem Schreibtisch herab.
„Es besteht kein Grund zur Sorge – zum einen ist Doktor Wolf fest davon überzeugt, dass Manet Zoë nicht entführt hat, um sie zu töten, und zum anderen … schlimmer als bei Kyl kann es nicht sein.“ Mafro erhob sich. „Ich würde jetzt gerne nachsehen gehen, was Fabregas wollte.“ Vor seinem geistigen Auge sah er das Gesicht Kyls mit der blutverschmierten rechten Seite, sah den Freund in seinen Armen sterben, sah wieder, wie er krampfhaft versuchte, etwas zu sagen. Dann überlagerte Zoës Gesicht das von Kyl.
Er ging einen Schritt zur Tür. Er wusste schon jetzt, was er in dieser Nacht in den wenigen Stunden unruhigen Schlafs, die er möglicherweise finden würde, träumen würde.
„Warum ist Doktor Wolf sich da eigentlich so sicher?“, hakte Bavarois nach.
„Weil sein Umgang mit Zoë nicht ins Muster passt“, erklärte Mafro. „Die Spurensicherer konnten nachweisen, dass sie lebend bei der Ermordung Danielle Kahns zugegen war, erinnern Sie sich? Außerdem hat er es auf untreue Frauen abgesehen, und davon gibt es, soweit ich weiß … soweit wir wissen bei Zoë keine Anzeichen. Zumindest nicht aktuell.“
„Ihre Eltern klammern sich immer noch an der Entführungstheorie fest“, sagte Bavarois.
„Aber sie lesen mit Sicherheit auch Zeitung“, konterte Mafro und tippte nun seinerseits auf die Mappe auf seinem Schreibtisch. „Sie wissen, was er mit Danielle Kahn gemacht hat …“
„Ich möchte nicht in deren Haut stecken“, brummte Bavarois. „Zoë ist ihre einzige Tochter. Sie ist jetzt seit über drei Wochen in seiner Gewalt.“ Dann setzte er hinzu: „In Ihrer Haut übrigens auch nicht, Mafro. Aber wir sind uns doch einig, dass es nicht um Lösegeld geht, oder – da wären inzwischen längst ein Erpresseranruf oder eine schriftliche Geldforderung eingegangen.“
Mafro nickte und ließ sich kraftlos wieder auf seinen Bürostuhl sacken. Seine Finger spielten mit den Fotos von Danielle
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