Der Facebook-Killer
du? Im Zeitalter des Internets wird doch jemand meine Seite im Auge behalten, oder?“
Die Hand des Facebook-Killers wanderte zu seiner Maus und klickte auf die Schaltfläche, über welcher der Cursor schon die ganze Zeit geschwebt hatte.
Um elf Uhr vierundzwanzig war die GIGN einsatzbereit.
Ein siebenköpfiges Team, darunter ein Mann mit einem kurzen, stählernen Rammbock, huschte geduckt auf mehreren Wegen durch den Garten des Manetschen Anwesens Richtung Vordertür.
Dann hörten sie alle Mafros Stimme über ihre Ohrhörer: „Hier spricht Fronzac. An alle: Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, aber Manet hat soeben die Vince-Vega-Facebookseite komplett vom Netz genommen.“
„Dies war das Ende meines alten Lebens auf Facebook – und es ist der Beginn meines neuen.“
Virtuos bediente der Mann mit dem zurückgegelten Haar seinen Laptop, wirbelten seine Finger über die Tastatur, führte seine Linke – ein nach wie vor ungewohnter Anblick – die Maus, ohne dabei seine an den Küchenstuhl gefesselte Gefangene auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Wären die breiten Klebebandfesseln um Zoës Hand- und Fußgelenke und ihr verheultes, aufgequollenes Gesicht nicht gewesen, man hätte denken können, der intellektuell wirkende, hagere Mann mit der Hornbrille gebe ihr Nachhilfe im Umgang mit Computern. Nach ein paar Minuten erhob er sich. „Sie werden jetzt wohl auf dem Weg durch den Vorgarten sein. Zeit, in den Keller zu gehen.“
Die zur Hilfe eingesetzte Besatzung mehrerer Streifenwagen sperrte derweil in großzügigem Umkreis einen Bereich von rund vierhundert Metern um Manets Haus ab, was unter anderem bedeutete, mehrere Clochards von ihren Stammschlafplätzen zu vertreiben. Bei einem von ihnen stellte ein Gendarm eine schwarze, sehr neu wirkende Damenlederjacke sicher. Der schmächtige, sturzbetrunkene Stadtstreicher unbestimmbaren Alters behauptete in einem kaum verständlichen provenzalischen Dialekt, ein netter Mann mit Brille und längerem Haar, den er schon häufiger hier in der Gegend gesehen habe – „der muss irgendwo hier rum wohnen, jawohl, ja, ja, ganz sicher“ – habe sie ihm vor etwas über einer Woche, so genau wisse er das nicht mehr, geschenkt. Ja, einfach so in die Hand gedrückt. In der Innentasche der Jacke fand der uniformierte Polizist den Personalausweis Zoë Ionescos.
Maxime Fronzac kam gerade von der Toilette zurück, als er sah, dass sein Handy wütend summend auf seinem Schreibtisch herumrotierte. Er schnappte es sich, erkannte Geza Wolfs Privatnummer und drückte augenblicklich die grüne Taste.
„Mafro? Wolf hier. Ich habe möglicherweise schlechte Nachrichten. Wir haben eine Lederjacke gefunden, von der wir denken, es könnte Zoës sein …“
Im Haus herrschte ein ganz spezieller Geruch nach Bohnerwachs, Schweiß und Insektenspray. Dieser Gedanke schoss Zoë durch den Kopf, als er mit seinem Survival-Messer neben ihrem Stuhl kniend wieder einmal das als Hand- und Fußfesseln dienende Klebeband durchtrennte und ihr dabei zuraunte: „Dir ist schon klar, dass du bei meinem Verfahren als Zeugin der Verteidigung auftreten musst, oder?“ Er zog sie aus dem Stuhl hoch und umfing ihre Taille, um zu verhindern, dass sie stürzte. Sie war vollkommen geschwächt. Zoë hasste sich dafür, dass er sie schwach sah.
Er führte sie in einen Flur und zu einer Metalltür, die mit einer Kette und einem daran befestigten Vorhängeschloss gesichert war. Mit einem handelsüblichen Sicherheitsschlüssel öffnete er das Schloss, lehnte sie dazu an die Wand des Flurs.
„Die werden mich wegen mehrfachen Mordes anklagen, und Kidnapping kommt natürlich auch noch hinzu“, nahm er den Faden wieder auf. Er zog Zoë zu sich heran und öffnete die knarrende, schwere Eisentür.
Dahinter führte eine aus Holzbohlen selbst gezimmerte Treppe in die unbeleuchtete, finstere Tiefe eines Kellers hinab.
In diesem Keller dagegen stank es widerlich nach nasser Erde, Blut und Fäulnis.
„Wie sieht die Jacke aus? Beschreiben Sie sie mir möglichst genau!“
Die Wölfin streckte die Hand aus, und der junge Polizist, der die Jacke beschlagnahmt hatte, reichte sie ihr in den Peugeot Boxer. Sie beschrieb über Funk das Kleidungsstück, das sie in Händen hielt.
Nach einer kurzen Pause hörte sie Mafro dumpf antworten: „Das ist sie. Das ist Zoës Jacke.“
Im Keller gab es allerhand zu sehen, wovon Zoë gar nicht sicher war, ob sie es anschauen, geschweigen denn sich näher damit
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