Der Facebook-Killer
und ging auf die Seite. Dort stand noch praktisch nichts über den Facebook-Nutzer namens Azra El. Sie musste brandneu angelegt sein. Es gab allerdings bereits eine Bildergalerie. Sie enthielt, jeweils mit Namensnennung in der Kommentarzeile, Bilder von Nadine Weill, Kylian Brousse, Léa Gerzon, Michelle Tourrende, Nicolas de Ségur und Danielle Kahn sowie einer weiteren Frau mit etwas abgehärmtem Gesicht, deren Name nicht angegeben war. Mafros schätzte sie auf Anfang dreißig.
Azra El … Azrael – was sollte das denn wieder? Der Name sagte Mafro nichts. Er öffnete ein neues Browserfenster und gab ihn bei Wikipedia ein. Die freie Online-Enzyklopädie verriet ihm:
Der Name Azrael (arabischDMG `Izrā`īl) bezeichnet in der islamischen Traditionsliteratur den mālik al-maut („Engel des Todes“). Im Koran wird ein Engel des Todes ausdrücklich erwähnt (Sure 32:11), der in der islamischen Tradition als Azrael identifiziert wird. Viele Aspekte seiner Legende sind jedoch nicht durch die offiziellen Glaubenslehren, sondern nur durch Volksglauben belegt. Der Engel Azrael schreibt die Namen der Neugeborenen auf und streicht die der Gestorbenen wieder durch.
„Todesengel“, dachte Mafro. „Na toll.“
Gleichzeitig erschien auf Azra Els Facebook-Seite die erste Statusmeldung des neuen Users.
WIEDERGEBURT. VINCE VEGA IST TOT, ES LEBE AZRAEL. FÜRCHTET EUCH, DENN ICH KOMME ÜBER EUCH.
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Das letzte Opfer
13. 3. 2011, 11:02
Préfecture de Police
Rue de la Cité, Paris
Die Identität des in Manets Haus gefundenen Toten war rasch festgestellt: Es handelte sich um Marcel Rabelais, den Wachmann aus La Villette. Offenbar hatte Manet ihn unter einem Vorwand in sein Privathaus gelockt, ihn dort ohne viel Federlesens erschossen und dann die Flucht ergriffen.
Während Dr. Zach im Keller der Präfektur zum Y-Schnitt an dem glücklosen Parkwächter, der seine Aussagen bei der Polizei mit dem Leben bezahlt hatte, ansetzte, konferierte zwei Stockwerke höher Commandant de Police René Bavarois wieder einmal mit Facebook. Dass in den vergangenen Monaten die Regierungen mehrerer europäischer Länder scharfe Kritik gegenüber dem sogenannten sozialen Netzwerk Facebook wegen seines Umgangs mit den sensiblen Daten seiner Nutzer geäußert hatten, erleichterte ihm diese ohnehin schwierige Arbeit keineswegs. An diesem Morgen, dem Morgen nach dem spektakulären Fehlschlag ihres Sturms auf Manets Haus in der Nähe des Jardin du Luxembourg, hatte er bereits knapp 140 Minuten in seinem Mailprogramm, am Telefon mit Facebook-Mitarbeitern in aller Herren Länder und vor allem in Warteschleifen verbracht.
Seit einigen Tagen wusste das Team definitiv, dass „Facebook Frankreich“ nur eine Mailadresse – und natürlich eine Facebook-Seite – war. Das europäische Herz des sozialen Netzwerks schlug in Dublin in der schönen Republik Irland. Dort stand die Serverlandschaft, mit deren Hilfe die US-amerikanische Riesenplattform die Anbindung aller europäischen Nutzer in der jeweiligen Landessprache gewährleistete.
Dort in Dublin, genauer gesagt, am phantastisch gelegenen 1-A-Bürostandort Hanover Quay, direkt im Herzen der irischen Hauptstadt, am Ufer des Liffey, hatte Bavarois knapp zwei Stunden zuvor angerufen – und in ein Wespennest gestochen. Abgesehen von der Tatsache, dass sein Englisch nicht gerade lupenrein war und es augenscheinlich in der Europazentrale von Facebook keinen einzigen Mitarbeiter gab, der der Sprache der Grande Nation mächtig war, hatte die Erwähnung des Landes, aus dem er anrief, ausgereicht, um sich der vollen Antipathie seiner diversen Gesprächspartner zu versichern. Das Wort „Frankreich“ hatte gewirkt wie ein rotes Tuch. Kein Wunder – immerhin gab es in Frankreich gerade Bestrebungen, die Nennung der Dienste Facebook und Twitter im Fernsehen zu verbieten.
Die Namen sozialer Netzwerke, so lauteten die immer nachdrücklicher vertretenen Forderungen der Kritiker, sollten in Frankreich nur noch unter ganz bestimmten Bedingungen im Fernsehen und Radio genannt werden dürfen. Schon seit 1992 verbot ein französisches Gesetz kommerzielle Werbehinweise im Rahmen von Nachrichtensendungen. Dieses Gesetz, solle endlich auch auf die beiden sozialen Netzwerke Facebook und Twitter angewandt werden. Das Conseil supérieur de l’audiovisuel, kurz CSA, die französische Rundfunkaufsichtsbehörde, stieß ins selbe Horn: Ab sofort müsse Schluss sein mit den weit verbreiteten medialen Hinweisen à la „Folgen
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