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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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versucht der Kripo-Mann ihm Mut zu machen. Er denkt an MacDonald. »Ich könnte …«
    »Sie können leider gar nichts für mich tun«, unterbricht ihn Czrisini. »So weit sind selbst die Amerikaner noch nicht, dass sie kleine Atombomben in der Lunge zünden, um den Tumor zu zertrümmern. Trotzdem besten Dank für das Angebot.«
    Stave folgt ihm schweigend, bis sie das Büro des Rechtsmediziners erreichen. Einstmals quoll es über vor Akten, Berichten und Präparaten. Inzwischen ist es gespenstisch leergeräumt. »Wie viel Zeit bleibt Ihnen noch?«, fragt er stockend.
    »Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe«, erwidert Czrisini und zündet sich eine Woodbine an. »Eigentlich erledigt so ein Krebs seine Aufgabe in vier bis sechs Monaten. Ich bin schon längst überfällig. Keine Ahnung, warum er sich bei mir mehr Zeit lässt. Wird interessant sein, meine Lunge anzusehen. Das wird das letzte Post Mortem sein, bei dem ich dabei sein werde.«
    »Soll ich Sie nach Hause bringen?« Noch während er dieses Angebot macht, fällt dem Kripo-Mann auf, dass er nicht einmal weiß, wo Czrisini wohnt.
    »Ich verbringe so wenig Zeit wie möglich in meinem Haus«, erwidert der Rechtsmediziner. »Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ich so abtrete, wie es sich für einen Mann meines Standes gehört: an meiner Wirkungsstätte. Außerdem müssen die Kollegen dann meinen Körper nicht allzu weit tragen.« Er lacht, bis ihn ein neuer Hustenanfall schüttelt.
    Stave weiß nicht, wohin mit seinem Blick, wohin mit seinen Händen. Er möchte Czrisini noch irgendetwas Aufmunterndes sagen. Zugleich drängt es ihn hinaus, fort aus dem verqualmten Büro und dem Hauch des Todes, den er mit jedem Atemzug zu inhalieren glaubt. »Ich melde mich bald wieder bei Ihnen«, sagt er und merkt selbst, wie falsch das klingt.
    »Auf Wiedersehen«, erwidert der Rechtsmediziner gleichmütig. »Hier oder an einem anderen Ort.«
    Stave schüttelt Doktor Czrisini länger die Hand als sonst. Er weiß, dass es das letzte Mal ist.
    Mittags ist er mit MacDonald in »Sellmers Kellerwirtschaft« verabredet. »Das ist das letzte Mal, dass ich Sie einlade«, erklärt der junge Lieutenant munter. »Seit bei euch Deutschen die neue Mark in der Brieftasche klimpert, fühlt man sich mit Britischen Pfund wie der arme Verwandte auf Besuch. Ich frage mich, wer eigentlich den Krieg gewonnen hat.«
    Stave studiert die Speisekarte. Kein Kellner mehr, der einem gegen »Pfand« für »vergessene« Marken seine eigenen »leiht«. Die Preise auf der Karte sind die, die man tatsächlich zahlen muss: eine Tasse echter Kaffee für 1,30 DM, ein dreigängiges Mittagsmenü für 3,50 DM.
    »Billiger wird das Siegerleben nicht«, murmelt der Kripo-Beamte. Er wird nicht mehr oft ins Restaurant gehen können.
    »Das Mittagsmenü besteht immer noch aus der gleichen verbrannten Scholle wie früher«, warnt ihn der Brite.
    »Kein Wunder, dass der Raum fast leer ist. Ich lasse mich trotzdem darauf ein. Sonst ist die Scholle umsonst gestorben.«
    »Mit dieser Haltung gelingt der Wiederaufbau. Also, lassen wir zwei Schollen nicht umsonst gestorben sein.« MacDonald winkt nach dem Kellner. Danach zieht er einen großen Umschlag aus einer Aktentasche, die neben seinem Fuß steht. Er präsentiert einen grellbunt bemalten Karton.
    »Das ist Erna!«, ruft der Oberinspektor verblüfft. Ein Porträt von MacDonalds Frau – Kopf und Oberkörper, große, intensive Augen, blonde Haare wie gelbe Flammen, die fröhlichen runden Gesichtszüge mit groben, schwarzen Pinselstrichen gemalt.
    »Sehr modern«, kommentiert Stave vorsichtig.
    »Als käme es direkt aus der Weimarer Republik. Man merkt, dass Toni Weber jahrelang nicht mehr expressionistisch arbeiten durfte. Bei diesem Bild hat er richtig Gas gegeben.«
    »Hat Erna es schon gesehen?«
    »Wirkt es so, als hätte ich eine Ohrfeige kassiert? Ich warte auf die richtigen Umstände, um diesen Schatz meinem Schatz zu präsentieren.«
    »Wenn Sie meinen Rat wollen: Warten Sie, bis man Sie nach Kalkutta versetzt und Erna in Europa zurückbleibt.«
    »Kluge Idee«, kommentiert der Lieutenant und schiebt das Bild seufzend in den Umschlag zurück. »Sie wird leider an einer Kleinigkeit scheitern. Ich gehe nicht nach Kalkutta: Ich gehe nach Berlin.«
    »Dachte ich mir«, erwidert der Oberinspektor, in dem sich Niedergeschlagenheit breitmacht. »Wann?«
    »Morgen. Wir fahren von den Landungsbrücken ab.«
    »Von den Landungsbrücken? Wie wollen Sie nach Berlin

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