Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
kommen? Mit dem Schiff? Die Roten haben die Stadt eingeschlossen.«
»Lassen Sie sich überraschen. Wir werden den Sowjets eine Nase drehen.«
»Wir? Erna und ihre Tochter kommen mit?«
»Erna war noch nie in Berlin.«
»Sie machen Witze. Eine Million Rotarmisten haben die Stadt umzingelt. Keiner spricht es aus, aber jeder weiß, was die dort schon 1945 angerichtet haben. Und das wollen Sie Frau und Tochter zumuten?«
MacDonald seufzt und lächelt müde. »Am liebsten würde ich Erna mit vorgehaltener Pistole dazu zwingen, in London zu bleiben. Aber sie war in diesem Punkt«, er sucht nach dem richtigen Wort, »nicht kompromissbereit«, vollendet er und zuckt mit den Schultern. »Sie sagt, sie hat bereits einmal einen Mann in einen Krieg ziehen lassen. Wir wissen, dass diese Geschichte nicht gut ausgegangen ist. Ein zweites Mal soll ihr das nicht passieren. Sie wird mitkommen und in einer britischen Kaserne wohnen. Das Privileg von Offiziersfrauen.«
»Wir werden Ihnen morgen am Kai zum Abschied zuwinken.«
»Wir?«
»Anna und ich.«
Ein breites Lächeln tritt in MacDonalds Gesicht. »Das ehrt mich mehr, als würde ein Dudelsackspieler aufmarschieren.« Er nickt in Richtung des Kellners. »Da kommen unsere Schollen. Hoffen wir das Beste und erwarten wir das Schlimmste. Und während wir den Fisch zersäbeln, erzählen Sie mir von Ihrem Fall. Die Kripo-Ermittlungen werde ich in Berlin wohl am meisten vermissen.«
Kann sein, dass ich die Ermittlungen auch bald vermissen werde, denkt Stave später, als er über den Gang des Chefamtes S schleicht. Er wird sich nicht mehr länger an seinen vielleicht letzten Fall in dieser Abteilung klammern können, denn er hat einen Termin bei der Staatsanwaltschaft. In seinem Büro packt er die Unterlagen zu dem Toten und den Kunstwerken im Reimershof zusammen. Er zögert kurz – und steckt dann auch noch die graue Karteikarte des Gestapo-Mannes Philip Greiner ein. Jene Karte, auf der die alten Ermittlungen gegen Schramm in Kurzform notiert worden sind. Jene Karte, auf der sich der Hinweis findet: »Cäsar Dönnecke, K.z.b.V.«, das »Kommando zur besonderen Verwendung«. Greiners Aussagen über Dönneckes Ermittlungen noch im Februar 1945, die mit zwei Hinrichtungen endeten, hat Stave aus dem Gedächtnis protokolliert. Besser als nichts. Und erst recht Dönneckes Beteiligung an der Ermordung der Kinder aus dem KZ. Stave blickt zur Decke. Im Flur über ihm arbeiten die Kollegen von der Mordkommission. Du wirst es noch bereuen, ein Dossier über mich angelegt zu haben, denkt er.
Eine Viertelstunde später hört sich Ehrlich den Bericht des Oberinspektors an. »Sie und ich haben eine heimliche Abmachung, die gegen ein Dutzend Vorschriften verstößt. Sie haben unter dubiosen, um nicht zu sagen: illegalen Umständen die Kopie eines Gehstockgriffes anfertigen lassen«, fasst der Staatsanwalt schließlich zusammen. »Von einem Mann, der schon einmal in einen Fall von Fälschung verwickelt war. Diese Kopie passt zufälligerweise in das Loch eines Totenschädels, der acht Jahre lang in einem zerbombten Haus lag. Sie erwarten nicht ernsthaft, dass ich daraus eine Anklage konstruiere? Gegen einen angesehenen Bürger, der ein ausgewiesener Gegner der Nazis und Beschützer von Juden war? Sie können übrigens nicht einmal beweisen, dass der Tote tatsächlich Rolf Rosenthal ist. Der Aussage von Doktor Schramm zufolge kann er es nicht sein, denn er verschwand ja schon 1940 aus Hamburg. Und nebenbei: Können Sie auch nur beweisen, dass Schramm schon zur fraglichen Zeit, also 1943, den Gehstock mit dem silbernen Griff benutzte? Es wäre ziemlich peinlich, wenn sich vor Gericht herausstellen würde, dass er ihn erst 1947 gekauft hat.«
»Einen silbernen Griff? So etwas hat man seit 1939 nicht mehr kaufen können.«
Der Staatsanwalt hebt beschwichtigend die Hände. »Der Silbergriff ist nicht das Problem. Aber Ihre ganze Geschichte ist das Problem. Wenn Sie es wirklich wissen wollen: Nicht einmal mich haben Sie überzeugt.«
»Es passt alles zusammen.«
»Wie der Silbergriff ins Schädelloch? In der Tat, eine Kombination, die eines Sherlock Holmes würdig wäre. Doch lassen Sie mich den tumben Watson spielen und Sie fragen: Warum sollte Schramm seinen Prokuristen umgebracht haben? Was ist das Motiv? Der Bankier hat Juden in der Nazizeit geschützt, nicht ihnen den Kopf eingeschlagen.«
»Es muss irgendetwas mit den Kunstwerken zu tun haben, deren Besitz Schramm so hartnäckig
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