Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
wollten mich die Tommys nicht mehr als Fotografen arbeiten lassen, aber als mir Cuddel Breuer die Stelle bei der Kriminalpolizei anbot, da hatten sie nichts einzuwenden. Verstehe einer die Engländer!«
»Sie haben nicht viele Fotos geschossen, drüben?«
»Bei der Leiche? Nein, ich habe nicht mal einen halben 24er-Film verbraucht. Die letzten Aufnahmen mache ich mit Ihren Funden, dann geht es ab ins Labor. Hoffentlich verwechsle ich die Abzüge später nicht: Diese Schädel sehen auch nicht besser aus als die von dem armen Kerl in der anderen Grube.«
»Ein Bombenopfer?«
»Oberinspektor Dönnecke vermutet das.«
»Und Sie?«
»Ich vermute nichts, ich mache Fotos.«
Stave geht Kienle aus dem Weg und sieht zu, wie der junge Mann um die Objekte schleicht, in die Knie geht, an seiner Leica Einstellungen ändert, manchmal den Auslöser drückt. Er stellt sich stets so auf, dass sein eigener Schatten nicht auf die Kunstwerke fällt. Nur dann reicht das trübe Licht aus, vermutet der Oberinspektor. Kienle will wohl kostbare Blitzlampen einsparen.
Während er dem Klicken des Auslösers lauscht und dem leisen, schabenden Geräusch, das beim Weitertransport des Filmes aus der Leica dringt, fragt sich Stave, warum ihm der Fotograf eben ausgewichen ist. Kienle macht nicht nur Bilder, er ist auch der einzige Spurensicherer der Krimsches, und das weiß er auch. Nach drei Jahren bei der Kriminalpolizei, in der er praktisch jeden Tag Tatorte untersucht hat, ist er ein erfahrener Mann, was auch immer er zuvor gemacht haben mag – erfahrener als viele ältere Beamte, die nur alle paar Wochen die Szenerie eines neuen Verbrechens betrachten. Wäre interessant zu erfahren, was Kienle aufgefallen ist, sagt sich der Oberinspektor. Aber er kennt ihn nicht gut genug, um sich eine vertrauliche Frage herauszunehmen.
Als der Fotograf den Film in seiner Leica zurückspult und aus der Grube klettert, verschwindet Dönnecke gerade mit seinem Gefolge in einem qualmenden Mercedes. Der hat nicht einmal die Trümmerfrauen befragt, fällt Stave auf.
»Kollege Dönnecke wartet nur noch auf meine Abzüge, dann heftet der sie in die Akte und schließt sie für immer. Wieder ein paar Aufnahmen, die nie jemand sehen wird.«
»Sie wollen wieder auf den Titel einer Zeitschrift?«
»Manchmal sehne ich mich nach der guten, alten Zeit.«
»Ich werde Ihre Bilder herumzeigen. Ihre Motive werden den einen oder anderen interessieren.«
»Chefredakteure?« Kienle bemüht sich um einen spöttischen Ton, doch Stave hört ein winziges Korn Hoffnung heraus. Er schüttelt bedauernd den Kopf. »Aber immerhin Kunstexperten«, erwidert er. »Ich möchte gern wissen, was wir hier eigentlich gefunden haben.«
Kienle deutet auf den Frauenkopf aus Bronze. »Die Dame habe ich schon mal irgendwo gesehen.«
»Wo?«
»Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht. Nicht in einer Galerie oder in einem Museum. Eher …«, er zögert. »Na, ich meine, dass ich diesen Kopf schon einmal gesehen habe, aber kleiner. Verstehen Sie? Ich habe ihn nicht so lebensgroß in Erinnerung.«
»Eine kleinere Kopie? So eine Art Modell?«
»Nein. Eher, als wenn ich dieses Kunstwerk schon einmal auf einem Foto gesehen hätte. Ich habe ja in meiner Zeit bei der Presse nicht nur selbst Aufnahmen gemacht. Ich weiß nicht, wie viele Bilder ich gesehen habe: Abzüge von Kollegen, stapelweise Bilder, die in Redaktionen auf Tischen liegen, so etwas. Es müssen Tausende gewesen sein. Irgendwo war dieser Kopf mal drauf. Ich weiß nur nicht mehr, wer das Bild gemacht hat. Oder wann.«
»Wenn Sie sich erinnern, dann kommen Sie vorbei. Mein Büro finden Sie jetzt ein Stockwerk tiefer.«
»Ich werde mich nicht verlaufen. Geht ja zurzeit ziemlich ruhig zu im Chefamt S.«
Stave bleibt in der Grube und sieht zu, wie Ramdohr die Kunstwerke nicht sonderlich behutsam in Kisten packt. Er müsste nicht danebenstehen, doch er will noch im zertrümmerten Haus bleiben – bis Doktor Czrisini endlich mit seiner ersten Leichenansicht fertig ist und Träger den Körper auf einer schwarzen Bahre fortschaffen.
»Ist es eines der vielen Bombenopfer?«, fragt er den Rechtsmediziner schließlich und hofft, dabei beiläufig zu klingen.
»Sie können es nicht lassen, was? Nehmen Sie meinen Ratschlag ernst: Morde sind gut für Ihre geistige Gesundheit.«
»Ich bin bloß neugierig.«
»Sie sind mehr als das – Sie haben einen Verdacht.«
Der Oberinspektor lächelt. »Sie sollten Psychiater werden. – Ist es nicht
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