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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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verwunderlich, dass noch Kleidungsreste an dem Toten hängen?«
    »Die wenigsten Menschen sterben nackt.«
    »Hier sind Brandbomben eingeschlagen«, fährt Stave unbeirrt fort. »Ich habe die Gewichte von mehreren Stabbrandbomben im Schutt gesehen. Dazu eine Handvoll angeschmolzener Münzen. Ich erinnere mich – das muss im Herbst 1943 gewesen sein –, wie ich mit ein paar Kollegen in den Keller eines zerstörten Hauses gerufen wurde. Wir suchten Hehlerware in den Regalen. Wir fanden bloß Dutzende Gläser mit selbst gemachter Marmelade. Aber obwohl der letzte Bombenangriff da schon ein oder zwei Tage her war, hat die Marmelade in den Gläsern immer noch gekocht. Es muss unvorstellbar heiß gewesen sein in diesem Haus.«
    »Kochende Marmelade, geschmolzene Münzen«, wiederholt Czrisini versonnen, »doch unser Toter hat noch seine Kleidung an. Keine Hitze. Nicht genug jedenfalls, um ihm das Hemd vom Leib zu brennen.«
    »Und die Kunstwerke sind auch nicht geschmolzen. Flammen müssen im Dachstuhl oder im Obergeschoss gelodert haben, die Objekte befanden sich wohl im Erdgeschoss oder vielleicht noch im ersten Stock. Sie sind erst in den Keller gekracht, als alles kollabierte. Aber das muss Stunden nach den Treffern geschehen sein, als die schlimmste Hitze schon wieder vergangen war.«
    »Und Sie meinen, dass unser unbekannter Freund sich auch im unteren Teil des Reimershofes aufgehalten hat?«
    »Nicht weit von den Kunstwerken. Stabbrandbomben sind tückisch, aber ihre Explosionskraft ist gering, sie sind auch nicht besonders schwer. Sie entzündeten den Dachstuhl. Aber jeder, der sich in tieferen Stockwerken befand, hatte genug Zeit, aus dem Haus zu rennen. Czrisini, Sie wissen selbst, dass damals Leute sogar in die Dachstühle hochgerannt sind, um die Brandbomben mit bloßen Händen aus den Gebäuden zu schleudern oder Sand auf sie zu kippen. Meistens ging das gut.«
    »Meistens ist nicht immer.«
    »Ja, aber hätte der Unbekannte Pech gehabt, dann wäre er verbrannt. Ist er aber nicht.«
    »Nein. Schädelfraktur. Sein Dachstuhl ist auch eingeschlagen worden, aber nicht von einer Brandbombe der Tommys. Ein taubeneigroßes Loch genau in der Sutura sagittalis, der Pfeilnaht ganz oben auf dem Kopf. Ein Loch mit einer sehr markanten, unregelmäßigen Form.«
    »Würden Balken oder Betonbrocken eines einstürzenden Hauses eine derartige Verletzung hervorrufen?«
    »Nein. Der Größe der Fraktur nach würde ich eher auf einen kleinen Hammer tippen. Die unregelmäßige Form deutet allerdings in eine andere Richtung. Ein Stein? Ich habe nichts im Schädel gefunden, ein Stein würde im Knochen steckenbleiben oder läge im Innern des Kopfes.«
    »Es sei denn, jemand zieht ihn nach der Tat heraus.«
    »Ich sagte ja, Sie können es nicht lassen. Vielleicht war es ein Stein – oder ein Briefbeschwerer oder ein Tintenfass. Das war hier ein Bürohaus. Das fällt einem nicht zufällig auf den Schädel.« Czrisinis Lachen geht in einen Hustenanfall über.
    »Haben Sie mal an die Schweiz gedacht?«, fragt Stave.
    »Ich brauche keinen Zauberberg. Das ist keine Tuberkulose. Machen Sie sich keine Sorgen um mich.«
    »Was sagt Dönnecke zu all diesen Indizien?«
    »Die Kleidungsreste sind ihm nicht aufgefallen; er hat ihre Bedeutung nicht verstanden oder es war ihm gleichgültig. Zur Fraktur meinte er: ›Typische Splitterverletzung.‹ Splitter von einer Bombe, die neben dem Haus explodierte. Sie seien durch das Fenster geflogen und hätten den Kerl erwischt.«
    »Haben Sie ihm erklärt, was Sie mir gerade erklärt haben?«
    »Selbstverständlich. Worauf Dönnecke bloß erwiderte, dass in den Bombennächten Splitter aus allen möglichen Richtungen durch die Gegend flogen und Menschen trafen.«
    »An den Schläfen vielleicht, im Gesicht, am Hinterkopf. Aber nicht mitten auf dem Schädel. Zischt etwas durch das Fenster, trifft es einen Menschen seitlich – egal, ob der sitzt oder steht. Nicht von oben.«
    »Es sei denn, er hätte gelegen, mit dem Kopf zum Fenster.«
    »Wer auf einem Bett oder Sofa liegt, liegt unterhalb des Fensterniveaus. Die Splitter hätten ihn gar nicht getroffen.«
    »Vielleicht lag er auf einem Schreibtisch.«
    »Mit dem Kopf zum Fenster und das während eines Bombenangriffs?« Der Oberinspektor gibt sich keine Mühe, seinen aufwallenden Zorn zu verbergen. Dönnecke ermittelt schlampig, der will bloß rasch die Akte schließen. Aber das ist kein Verkehrsunfall mit Blechschaden, da liegt ein Toter,

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