Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Schlag auf Schlag, wie Nummern eines Varietékünstlers: siebzehntausend für einen Goldring, achtundzwanzigtausend für einen großen Brillanten. Bei den teuren Schmuckstücken sind es stets dieselben sechs, sieben gutgekleideten jungen Männer mit harten Gesichtern, die mit kühlen Stimmen Tausendersummen in den Raum werfen. Nach einer halben Stunde – der Oberinspektor hat es längst aufgegeben, die Zuschlagssummen im Geiste zu addieren, um abzuschätzen, wie viel Geld in diesem einen Raum versammelt sein muss – hat Nattenheimer seine Vorräte an Gold und Edelsteinen verhökert.
Jetzt holt er Silberbesteck hervor, mal eine ganze Garnitur, mal einen einzelnen Sahnelöffel. Plötzlich bieten andere Zuschauer mit, ältere Herren, Familienväter, junge Männer in nicht ganz so teuren Anzügen. Die Zuschläge sinken in den Tausenderbereich, in den Hunderter – und schließlich geht ein Buttermesser gegen das Gebot von einem halben Pfund Butter weg.
»Das entspricht 120 Reichsmark«, sagt Nattenheimer schmunzelnd. »Bietet jemand mehr?« Der Hammer fällt.
Zuletzt ruft er Bilder auf. Kitsch in Öl mit Goldrahmen, expressionistische Zeichnungen, das Aquarell eines Romantikers, zwei Marmorköpfe junger Mädchen aus dem 19. Jahrhundert – alles wird verkauft, jeder Stil, jedes Alter. Anna hat die Werke aufmerksam betrachtet, schüttelt schließlich kaum merklich den Kopf, als Nattenheimer nach zwei Stunden erschöpft und zufrieden das Podium räumt.
»Nichts von Ehrlichs Schätzen dabei?«, fragt Stave.
»Das war Nattenheimers fünfzehnte Auktion. Die Versteigerungen sind zu einer Art Spektakel geworden. Kein Hehler, der noch ganz bei Sinnen ist, würde geraubte Ware hier einliefern. Das wäre zu auffällig. Andererseits sind drei Viertel der Leute im Publikum Schaulustige, Anfänger. Man kann nie ausschließen, dass einer von denen auch mal etwas einliefert und dass dies für den Staatsanwalt interessant sein könnte.«
»Hast du schon etwas für Ehrlich gefunden?«
»Zwei Skizzen von Nolde. Auf dem Schwarzmarkt am Nobistor.«
»Zahlt Ehrlich dafür gut?«
»Mit seinen nützlichen Verbindungen.« Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. »Nützlich für meinen Beruf.«
Kunstwerke und Antiquitäten aus Trümmerhäusern zu bergen, zu restaurieren und an Schwarzhändler und Briten zu verkaufen. Höchst illegal. Sollte Anna von Veckinhausen jemals erwischt werden, könnte ihr ein englischer Schnellrichter bedenkenlos ein Jahr Gefängnis aufbrummen. Es sei denn, ein deutscher Staatsanwalt legt für sie ein gutes Wort ein.
»Und du?«, fragt sie. »Hat dieser Abend deinem Beruf genutzt?«
»Ich habe auch ein paar Kunstwerke aus Trümmern geborgen«, erwidert er. »Allerdings sah keines auch nur entfernt so aus wie das, was Nattenheimer gerade versteigert hat.«
»Der Mann ist der geborene Künstler. Wusstest du, dass er ausgebildeter Opernsänger ist? Bassbariton. Seinem Vater gehörte das Auktionshaus bis 1935. Dann haben die Nazis es geschlossen, aus ›rassischen Gründen‹. Irgendwie haben die Nattenheimers überlebt. Nach dem Krieg konnte er mit seinem Gesang nicht viel verdienen, also hat er es mit dem Geschäft seines Vaters probiert. Und siehe da: Der Handel brummt.«
»Die Leute werfen ihm ihre Geldscheine zu, als sei das Altpapier.«
»Das ist Altpapier. Wer Geld hat, investiert besser in Gold und Brillanten. Und wenn es dazu nicht reicht, dann wenigstens in ein Silberbesteck.«
»Oder in ein Buttermesser. Ich frage mich, wo die Menschen all das Geld herhaben. Bei manchen kann ich es mir denken.« Der Oberinspektor deutet auf zwei junge Männer, die sich mit Nattenheimer hinter dem Podium unterhalten und offenbar Formalitäten erledigen. »Die Könige des Schwarzmarktes. Aber wer sind die anderen?«
»Die Könige der Nazizeit.« Anna lacht bitter auf. »Da haben ja viele nicht schlecht verdient, vorausgesetzt, man kannte die richtigen Leute.«
»Oder man war selbst einer der richtigen Leute.«
»Hier sitzen tausend Jahre Mitgliedschaft in der NSDAP auf den Stühlen. Jedenfalls sind längst nicht alle Sparstrümpfe im Bombenhagel verbrannt. Da liegen noch genügend Reichsmarkscheine herum, die darauf warten, in echte Wertsachen eingetauscht zu werden.«
»Sehr solide«, murmelt Stave, »und so angenehm spurenlos. Ein Silberbesteck komplett mit Quittung vom Auktionator und mit dem Beleg vom Finanzamt, dass man seine fünfzehn Prozent Steuer brav entrichtet hat. Und schon gibt es keine
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