Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Verbindung mehr zu deinen Reichsmarklappen und zu der Frage, wie du sie einst verdient hast.«
»Aber du bist nicht hier, um alten Reichsmarkscheinen nachzuspüren?«
»Alten Kunstwerken. Oder eher: nicht wirklich alten Kunstwerken. Herrenlosen Kunstwerken. Lass uns hier noch einen Kaffee trinken. Dann reden wir über meinen Fall.« Und vielleicht auch über uns, hofft er, wagt es jedoch nicht, das auch nur anzudeuten.
Sie schlendern in den Nebenraum an einen der wenigen freien Tische. Viele Gäste der Versteigerung sitzen hier, bemerkt Stave – aber niemand von den gut gekleideten Herren, die Gold oder Edelsteine erstanden haben.
»Einen Kaffee«, bittet Anna die dünne, verschwitzte Kellnerin.
»Bohne oder Ersatz?«
»Ersatzkaffee.« Sie lächelt ihren Begleiter an. »Oder hast du eine Gehaltserhöhung bekommen?«
»Zwei Ersatzkaffee«, bestellt Stave. Er zieht die Fotos aus dem Reimershof hervor und erklärt ihr in wenigen Worten seine Nachforschungen.
»Das hätte ich gerne gefunden«, murmelt Anna und studiert die Bilder eingehend.
»Du kennst die Werke?«, fragt er hoffnungsvoll.
»Noch nicht. Expressionismus, zwanziger Jahre wahrscheinlich. Solide. Nicht das, was bei englischen Offizieren hoch im Kurs steht. Oder bei meinen Kunden vom Schwarzmarkt. Aber es gibt wieder Kenner, die sich dafür interessieren.«
»Wertvolle Stücke?«
»Wer kann das jetzt noch sicher sagen? Du warst ja gerade dabei, wie jemand für ein Buttermesser mehr als einen Monatsverdienst hingelegt hat. Aber wenn wir wieder echtes Geld bekommen sollten, ist der Spuk vielleicht vorbei – wer würde dann noch seine kostbaren Scheine für einen beschädigten Betonkopf ausgeben? In der Weimarer Republik haben solche Plastiken ein paar Hundert oder Tausend Reichsmark gekostet.«
»Und danach?«
Sie runzelt die Stirn. »So naiv bist selbst du nicht. Für die Nazis war das ›entartete Kunst‹. Also unverkäuflich, außer ins Ausland.«
»Ins Ausland?«
»Die Nazis haben viele Werke, die sie aus den Museen gerissen oder Sammlern gestohlen haben, über Galerien und Auktionshäuser in London, Paris oder der Schweiz verscherbelt. Sie haben diese Schätze so gründlich geplündert wie später die Rote Armee.«
Der Oberinspektor nippt an seinem Kaffee. Fade, aber wenigstens heiß. Der Reimershof liegt direkt an einem Fleet, mit einer unauffälligen Schute ist von dort aus jedes Schiff im Hafen zu erreichen. Der Bankier hatte sicherlich beste Verbindungen ins Ausland, was eine der Ursachen dafür war, dass ihn die Gestapo in Frieden gelassen hat. Wollte er die Sachen schmuggeln und haben ihm nur ein paar Brandbomben einen Strich durch die Rechnung gemacht? Werke, die in Deutschland plötzlich unverkäuflich waren, aber bei Sammlern in Übersee gute Preise erzielt hätten? Vielleicht ein kleiner Ausgleich für das ab 1933 erlahmende Geldgeschäft? Aber wie wäre Schramm an diese verfemten Werke gekommen? Womöglich gehörten die Köpfe niemals Schramm, sondern Museen oder Sammlern. Leuten, die nun Fragen stellen würden, wie ihre Schätze in die Trümmer des Reimershofes gelangt sein könnten. Stave denkt an Ehrlichs Hartnäckigkeit, an seine freundliche Unerbittlichkeit. Der Staatsanwalt hat seine Sammlung zusammen mit seiner Frau aufgebaut – einer Frau, die von den Nazis später in den Selbstmord getrieben wurde. Ehrlich geht es nicht um Geld, ihm geht es um Erinnerungen. Wer ihm die gestohlen hat, dem wird er zum gnadenlosen Feind. Wird interessant werden, sagt er sich, den Bankier morgen zu befragen.
»Kennst du einen Doktor Alfred Schramm?«
Anna schüttelt den Kopf. »Ein Verdächtiger? Oder ein Opfer?«
»Das eine schließt das andere nicht aus.« Er berichtet ihr von dem, was er über den Bankier erfahren hat.
»Darf ich die Fotos behalten?«
Stave reicht ihr einen seiner wenigen Abzüge. Sie steckt ihn in ihre elegante Handtasche.
»Eine Neuerwerbung?«, fragt Stave und deutet auf die Tasche.
Einen Moment lang errötet sie wie ein junges Mädchen, das sich ertappt fühlt. »Im Gegenteil«, gesteht sie und streicht über das weiche, braune Leder. »Die gehört mir schon seit Jahren. Sie ist fast das einzige, was ich bei meiner Flucht retten konnte. Absurd, welche nutzlosen Dinge man mit sich schleppt, nicht wahr?«
Stave blickt auf die Handtasche und erstarrt. Anna von Veckinhausen. Auf dem Leder ist in Gold ein Monogramm eingestanzt: »A.v.G.« Ihn schwindelt. Wäre dies ein Verhör, würde er sie nun auf dieses
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