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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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»G« ansprechen. So aber sitzt er nur da, als habe ihm jemand einen Schlag verpasst.
     »Ich werde mich ein wenig umhören«, fährt Anna fort, die seine Verwirrung nicht bemerkt hat. »Irgendjemand wird diese Köpfe schon einmal gesehen haben.«
    Staves Herz klopft bis zum Hals. Mühsam verbannt er die Enttäuschung aus seiner Stimme. Eine Enttäuschung darüber, dass sie ihm so viel von ihrer Vergangenheit verschweigt. Angst. Eifersucht. Und doch auch eine wilde, unbezwingbare Hoffnung. »Dann sehen wir uns wieder?«
    »Ich werde dir sagen, was ich herausgefunden habe. Im ›Fiedler‹. Sagen wir: um fünf Uhr? Kannst du mich jetzt nach Hause bringen? Bald ist Sperrstunde, und ich bin zu müde, um mich abzuhetzen.«
    Der Regen hat sich verausgabt. Die Wände der ausgebombten Häuser glänzen noch feucht, die Luft ist kühl und schwer, der Abendhimmel leuchtet dunkelviolett durch leere Fensterrahmen. Anna hakt sich nicht wie früher bei ihm ein, sondern schlendert eine Armlänge neben ihm durch die halbdunklen Straßen. Stave ist trotzdem dankbar, ihren Duft einzuatmen. Wenn sie in den Lichtkreis einer der wenigen funktionierenden Laternen treten, schimmert ihr Haar.
    Sie wechseln nur wenige Sätze. Kein Wort über ihre gemeinsamen Tage, nichts über seinen Sohn Karl. Er hütet sich, ihr Fragen zu stellen, will nicht, wie so oft, den Polizisten spielen: Was machst du? Triffst du dich oft mit Ehrlich? Oder hast du jemand anderen kennengelernt? Was bedeutet »G«? Keine Frage dazu, auch wenn es ihn quält. Sei einfach bloß ein Mann, der an der Seite einer schönen Frau durch eine nächtliche Stadt spaziert.
    Nach anderthalb Stunden stehen sie vor der Tür zu ihrer Kellerwohnung in der Röperstraße in Altona. Die Elbe schimmert wie ein graues Band hinter dem Ende der Straße. Ein Fischerboot dampft langsam den Strom hinauf bis zur Anlegestelle an den Lagerhäusern von Altona, der bittere Kohlequalm aus seinem Schornstein weht bis vor das Gebäude.
    »Vielen Dank für den Geleitschutz«, sagt sie.
    »Anna …« Stave fällt plötzlich kein vernünftiges Wort mehr ein.
    Sie lächelt, beugt sich vor und küsst ihn auf die Wange. »Du solltest dein Gehalt in Rasierklingen anlegen«, flüstert sie, »bevor das Geld gar nichts mehr wert ist.«
    »Schon geschehen.« Er hält ihr die Tür auf, aus dem Treppenhaus schlägt ihnen muffige Luft entgegen.
    »Ich melde mich wieder.«
    »Heute ist mein Glückstag«, erwidert Stave und schließt behutsam die Tür hinter Anna, damit sie nicht krachend ins Schloss fällt und alle Nachbarn weckt. »Das ist ernst gemeint«, setzt er hinzu, doch da kann sie ihn schon nicht mehr hören.

Erkennungszeichen
    Auf dem Rückweg nach Hause durchströmt Stave das irritierende und irgendwie angenehme Gefühl, nicht in die Welt zu passen. Die halben Fassaden zu beiden Straßenseiten scheinen ihm wie die Kulissen eines düsteren, experimentellen Theaterstücks zu sein, in dem Mord und Zerstörung die Hauptrollen spielen. Er aber würde am liebsten ein Lied pfeifen und tanzen, so wie die Stars aus den heiteren Musikfilmen der dreißiger Jahre.
    Er achtet nicht besonders auf seinen Weg. Einmal stoppt ihn eine englische Streife, zwei Soldaten in ihrem Jeep, die ihn passieren lassen, nachdem sie seinen Polizeiausweis gesehen haben, und die sogar mit der Hand zum Mützenschirm freundlich grüßen. Längst vorbei die Zeiten, als nervöse Briten noch beim kleinsten Geräusch zwischen den Trümmern ihre Maschinenpistolen hochrissen.
    Nach einer Dreiviertelstunde findet sich der Kripo-Beamte in der Neuen Rabenstraße wieder, nicht ganz der halbe Weg von Annas Bleibe zu seiner Wohnung. Er eilt schneller voran, schlägt den Mantelkragen hoch, da der Nieselregen wieder einsetzt, stoppt abrupt, dreht sich um.
    Licht im Gebäude der Rechtsmedizin, ein warmes gelbes Quadrat in der Fassade der schlecht gepflegten ehemaligen Villa. Hinter dem Fenster verbirgt sich Czrisinis Büro.
    Stave, viel zu erregt und hungrig, um schon müde zu sein, drückt kurz entschlossen die Klinke der Eingangstür hinunter. Unverschlossen. Wer würde auch schon im Leichenschauhaus einbrechen? Er tastet sich durch dunkle Flure, bis er Czrisinis Tür findet, klopft und eintritt.
    »Sie haben mich zu Tode erschrocken!«, ruft der Rechtsmediziner.
    »Das kommt in ihrem Metier eher selten vor, nehme ich an.« Dann stutzt der Kripo-Mann. Czrisini ist dabei, Akten und Bücher in Kisten zu verstauen. Sein Büro, bislang vollgestopft wie das

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