Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
dem Schwarzmarkt mehrere Mark ausgeben. Wozu soll sich jemand da die Mühe machen, Pfennig-Scheine zu erfinden? Was will er denn mit diesen Blüten kaufen? Tabakkrümel?«
»Jemand macht sich die Mühe des Drucks und geht auch das Risiko ein, erwischt zu werden, bloß um die Engländer zu verunsichern?«
»Bei MacDonald ist es dem Unbekannten jedenfalls gelungen. Bei Ihnen übrigens auch.« Ehrlich hebt beschwichtigend die Hände. »Ich werde den Fall übernehmen, wenn Sie mir jemanden liefern. Ich schnüre daraus eine Anklage, versprochen.«
»Das wird den Lieutenant freuen – und seine Vorgesetzten auch.«
»Ich tue ihm und Ihnen diesen Gefallen hauptsächlich deshalb, um mir auch den zweiten Fall anzuhören.«
Der Oberinspektor lächelt dünn und zieht einige von Kienles Aufnahmen hervor. »Diese Kunstwerke haben Trümmerfrauen bei Arbeiten im ausgebombten Reimershof gefunden.«
»Neben dem Skelett, das Dönnecke am Hals hat? Ich habe davon gehört.«
Ehrlich beugt sich dicht über die Schwarzweißaufnahmen, seine hinter den Brillengläsern eulenhaft vergrößerten Augen fixieren die Details. Kienles Bilder sind scharf, doch die Abzüge sind klein, um Papier und Chemikalien zu sparen.
»Das sind nicht zufällig Ihre?« Stave bemüht sich um einen möglichst scherzhaften Ton. Doch insgeheim hofft er, Ehrlich würde ihm nebenbei etwas über Annas Ermittlungen zu seinen verschollenen Bildern sagen. Aber sein Gegenüber schüttelt bloß den Kopf.
»Leider nicht«, murmelt er, »obwohl sie gut in meine Sammlung gepasst hätten. Ich kenne die Köpfe nicht, auch wenn sie mir vage bekannt vorkommen. Als hätte ich sie irgendwo schon einmal gesehen – nicht im Original, eher als Abbildung im Katalog oder auf einem Foto. Sieht nach expressionistischen Skulpturen aus. Keine Werke allererster Kategorie. Eher solider Mittelbau, wenn Sie verstehen, was ich meine. Objekte, die von Museen gekauft, aber nicht im Zentrum eines Raumes platziert werden.«
»An denen man als Besucher vorbeiläuft, den Blick auf ein Meisterwerk gerichtet?«
»Exakt. Plastiken, die sich auch ein Sammler mit einem Beamtengehalt hätte leisten können.«
»Und ein Bankier?«
Ehrlich blickt überrascht auf. »Ein Bankier, der seinen Namen verdient, verdient auch genug, um sich die ganz Großen leisten zu können. Wenn er Expressionisten liebt: die Werke des Blauen Reiters oder von der Brücke. Warum fragen Sie?«
»Sagt Ihnen der Name Doktor Alfred Schramm etwas?«
»Privat: Ja. Beruflich: Nein. Ein Hamburger Bankier, ein Förderer der Kunst und der Künstler, der Moderne sehr aufgeschlossen. Wenn man sich für Kunst interessiert, zumal für zeitgenössische Strömungen, dann ist die Welt auf einmal sehr übersichtlich. Ich weiß, dass Schramm sammelt und dass er wohl auch finanziell dem einen oder anderen Künstler unter die Arme greift. Begegnet bin ich ihm allerdings noch nie. Nicht in Museen oder Galerien – und auch nicht vor Gericht. Tadelloser Ruf.«
»Kein Nazi? Oder ein Nazi mit einem sehr guten Persilschein?«
»Für den war die braune Bande immer ein Proletenpack. Ich habe meine Informationen selbstverständlich nur aus zweiter Hand …«
Stave, der von den engen Verbindungen Ehrlichs zu britischen Offizieren weiß, die noch aus der Zeit herrührten, da er ins Exil nach England fliehen musste, nickt verständnisvoll.
»Aber«, fährt der Staatsanwalt fort, »Schramm hat eine Art eingeimpften Widerwillen gegen Hitlers Schergen gehabt, schon lange vor 1933. Ein Bankier in vierter Generation, konservativ, ja national gesinnt, aber kultiviert und durch und durch standesbewusst.«
»Dünkelhaft?«
»Manchmal rettet einen Dünkel vor den schlimmsten Entgleisungen. Schramm jedenfalls war in Hamburg einflussreich, er war wohlhabend, er verfügte über beste Geschäftskontakte nach Übersee, zudem war er so arisch wie nur irgendein SS-Standartenführer. Seine Geschäfte gingen nach 1933 sicherlich schlechter als davor, aber die Nazis haben doch nie gewagt, Hand an ihn zu legen. Allerdings gab es Gerüchte, die Gestapo habe sich für ihn interessiert, es soll sogar Akten über ihn gegeben haben. Die sind alle verschwunden, die Herren haben ja im Frühjahr 45 gründlich aufgeräumt, bevor die englischen Panzer einrollten. Schramm jedenfalls blieb bis zum Kriegsende ein angesehener Geldmann. Und ist es seither wieder. Eher mehr noch als je zuvor.«
»Ein Mann, den ich mir bei meinen Ermittlungen nicht zum Feind machen
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