Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
Vom Netzwerk:
in die Hand bekommen, von dem sie etwas kaufen können und auch etwas ersparen, was wir alle werden tun müssen.«
    »Der redet schon anders als der Adolf«, sagt Karl, als die Sendung zu Ende ist.
    »Ehrliches Geld, klingt nicht schlecht.«
    »Er hat aber auch gesagt, dass wir auf Jahre hinaus arm bleiben werden.«
    »Immerhin jemand, der mal nicht lügt.«
    Karl sieht aus dem Fenster. Regenschlieren, Dunkelheit auf der Ahrensburger Straße. »Was würdest du dir denn als Erstes kaufen? Nach dem Tag X, meine ich. Falls das mit dem ehrlichen Geld kein Gewäsch ist. Was würdest du dir mit deinem nächsten Lohn kaufen?«
    Stave überlegt lange. »Ein paar Schuhe«, verkündet er schließlich. »Ordentliche Herrenschuhe. Leder, bequeme, feste Sohle. Schuhe, mit denen du quer durch die Stadt laufen kannst. Und mit denen du nicht mehr aussiehst wie ein Landstreicher. Und du?«
    »Bücher. Amerikanische Bücher. Englische Bücher. Französische Bücher. Vielleicht sogar sowjetische Bücher. Ich fühle mich, als hätte ich nicht bloß zwei Jahre im Lager gesessen, sondern mein ganzes Leben lang. Ich muss lernen, selbst zu denken.«
    Hoffentlich wird das neue Geld ein Erfolg, fleht Stave stumm. Irgendwann muss doch mal wieder etwas in diesem Land funktionieren. Schuhe. Bücher. Wäre kein schlechter Start für eine neue Zeit.
    Karl streicht sich über die Augen. »Ich bin müde«, sagt er. »Kann ich über Nacht hierbleiben? Ist das kleine Zimmer noch frei?«
    »Wer soll da sonst sein?«, antwortet Stave und kann sein Glück gar nicht fassen.

Deutsche Mark
    Sonntag, 20.   Juni 1948
    Stave wacht pünktlich um vier Uhr früh auf, wie immer ohne Wecker. Wenn er sich am Abend vornimmt, am nächsten Morgen zu einer bestimmten Uhrzeit aufzustehen, dann endet sein Schlaf genau zu dieser Zeit, als würde ihn eine innere Uhr steuern. Er schleicht sich in die Küche, um Karl nicht zu wecken. Tag X. Graues Licht, Regen, viel zu kalt für den beginnenden Sommer. Er schneidet schimmelige Stellen aus dem Graubrot und wirft sie in den Ascheimer, vom brauchbaren Rest teilt er sich ein Drittel ab und verschlingt das Frühstück mit etwas Wasser aus dem Hahn. Es würde zu lange dauern, die Brennhexe anzuwerfen. Vielleicht kann er sich später irgendwo einen Ersatzkaffee besorgen.
    Der Oberinspektor trägt sein Fahrrad durch das halbdunkle Treppenhaus. Stille. Nur unter der Wohnungstür von Flasch schimmert schon Licht durch den Spalt. Flüchtig fragt sich der Kripo-Beamte, wie sein Nachbar zur Landeszentralbank gelangen wird.
    Als er über die leere Ahrensburger Straße fährt, kommt es ihm vor, als würde die Stadt noch einmal Atem holen, bevor sie sich hineinstürzen würde in … In was hineinstürzen? Ein Abenteuer? Eine neue Zeit? Oder eine riesige Enttäuschung?
    Kurz vor halb sechs erreicht er den Platz vor dem Rathaus und lehnt sein Rad an einen Peterwagen. Vor der Landeszentralbank haben Schupos Posten bezogen, am Eingang patrouillieren englische Militärpolizisten. Lastwagen mit qualmenden Motoren stehen an der Seitenwand des Gebäudes, neben jedem Fahrer sitzt ein Bewaffneter.
    »Heute geht es los!«, ruft Hauptpolizist Ruge.
    »Zurück in die Postenkette!«, kommandiert ein unwirscher, übermüdeter Schupo. Ruge schneidet eine Grimasse und gehorcht.
    Stave sammelt sich mit einigen Krimsches um Cuddel Breuer.
    »Kinder«, sagt ihr Chef, »das muss jetzt glatt über die Bühne gehen. In dem Kasten da drin lagern 600   Millionen Mark. 600   Millionen Deutsche Mark, die sind so viele Reichsmark wert, die Zahl könntet ihr gar nicht auf ein Blatt Papier schreiben. Die uniformierten Kollegen und die Engländer werden das jetzt an die 1300 Geldausgabestellen in der Stadt verteilen. Unsere Aufgabe ist es, die Verladung zu sichern. Danach habt ihr frei. Ihr könnt zu euren Ausgabestellen gehen und euch das neue Geld abholen. Und morgen sind wir alle reiche Krimsches.«
    Der erste Lastwagen rollt vor das Portal. Keine Kisten mehr, denkt Stave. Sie haben das Geld in plombierte Säcke umgeladen. Es dauert nur ein paar Augenblicke, dann ist die Ladefläche voll. Der nächste. Und noch einer. Und noch einer. Kein Passant auf dem zugigen Rathausplatz, keine verdächtige Bewegung in einer Nebenstraße, kein Geräusch außer dem Tröpfeln des Regens auf seiner Hutkrempe. Der Oberinspektor erkennt Flasch, der zu den Beamten gehört, die neben jedem Geldsack herlaufen und große Schirme über sie halten, damit sie auf den wenigen Metern vom

Weitere Kostenlose Bücher