Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Scheine. Plötzlich schlägt sein Herz schneller und er sieht ungeduldig auf die Uhr.
»Ihr Ausweis.« Ein verschwitzter, glatzköpfiger Beamter blickt ihn aus wässrigen Augen an. Stave zückt wieder seine Papiere, aufgeregt nun wie ein Schüler vor dem Examen. Der Glatzkopf kontrolliert das Dokument, ein Mann neben ihm notiert etwas in einer Liste, sucht danach aus einem großen Holzkasten die Kartei mit seinem Namen heraus.
»Familienvorstand?«
Als Stave den Beamten bloß verständnislos anblickt, seufzt der tief. »Familienvorstände dürfen für alle Mitglieder ihrer Familie das Geld eintauschen. Wie ist das bei Ihnen?«
Er denkt an Karl, der unter seiner eigenen Adresse gemeldet ist und hoffentlich genauso wie er jetzt irgendwo in einer Ausgabestelle wartet. »Nein«, antwortet er, »ich tausche nur für mich.« Klingt irgendwie wie das Eingeständnis des Scheiterns.
»Dann erhalten Sie Ihr Kopfgeld von vierzig Deutschen Mark.« Der Beamte leiert das herunter, er hat es in den letzten Stunden schon hunderte Mal gesagt. Stave kann ihn kaum verstehen. »Sie geben uns vierzig Reichsmark dafür. In zwei Monaten dürfen Sie weitere zwanzig Mark tauschen. Vom Umtausch ausgenommen sind Münzen und Scheine bis eine Reichsmark. Die sind weiterhin gültig, allerdings nur noch zu einem Zehntel des Nennwerts. Verstanden?«
Der Oberinspektor nickt betäubt und schiebt sein Bündel herüber. Es sind die besterhaltenen Reichsmarkscheine, die er in seiner Brieftasche gefunden hat. Der dritte Angestellte hinter dem Tisch zählt es rasch nach, legt es danach auf die Stapel alter Scheine. Der vierte Mann drückt ihm ein flaches, neues Bündel in die Hand.
»Bitte auf dem Formular quittieren. Weiter.«
Verwirrt tritt Stave zur Seite, lehnt sich mit der Hüfte an den Tisch, betrachtet die Scheine in seiner Faust – und staunt. Ein blauer Schein mit einem Muster, das an Eichenblätter erinnert: »Eine halbe Deutsche Mark – Serie 1948«. Ein Schein in Türkis, Gelb und Braun, am Rand ein heroischer Mann in Denkerpose, Papier in der Rechten, davor ein Globus, dahinter ein Schiff: »Fünf Deutsche Mark«. Majestätisch-blau und rot, eine Justitia im Zentrum, eine stolze Frau mit Waage und Schild: »Zehn Deutsche Mark«.
Ehrfürchtig streicht er mit den Fingerkuppen über das jungfräuliche, feste Papier, saugt den Duft ein. Gediegenheit. Zuverlässigkeit. Ist doch bloß Papier, sagt ihm eine innere Stimme. Und doch fühlt sich das ganz anders an als die alten Reichsmarknoten. In dieser einen Sekunde, am Rande des Durcheinanders in der Ausgabehalle, weiß er plötzlich mit absoluter Sicherheit, dass er nie wieder mit Zigaretten oder einem Pfund Butter bezahlen muss. Ich halte eine Revolution in der Hand, denkt er, und nichts wird in Deutschland so bleiben, wie es ist.
Rasch blättert er den Rest des Bündels durch. Ganz unten leuchten Fünf- und Zehn-Pfennig-Scheine. »Euch habe ich schon einmal gesehen«, flüstert er zufrieden und tritt ins Freie.
In der Wohnung wartet Karl auf ihn. Er hat seine Markscheine auf dem Küchentisch ausgebreitet wie ein aufgedecktes Kartenspiel. »Daran muss ich mich wohl jetzt gewöhnen«, sagt er leise.
Stave weiß nicht recht, ob er eher Hoffnung auf die Zukunft aus diesem Satz heraushört – oder Furcht davor. »In einem halben Jahr werden wir nicht mehr wissen, wie die alten Reichsmarklappen aussahen«, antwortet er.
»Du glaubst also wirklich an den Erfolg des Amigeldes?«
»Es ist nun unser Geld, Karl. ›Deutsche Mark‹. Nicht ›Alliierte Mark‹. Das ist doch mal ein Anfang.«
»Das klingt, als wärst du stolz auf dieses Geld.«
Er starrt seinen Sohn verblüfft an, denkt nach, nickt verwundert. »Du hast recht. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, aber ich bin stolz.«
»Wer hätte gedacht, dass du dich mal nicht von der Vernunft leiten lässt«, erwidert Karl gutmütig. Dann blickt er wieder auf die Scheine. »Viele Bücher«, murmelt er und schaut auf den Tisch, als sähe er die Werke schon vor sich.
»Die neuen Rotationsromane bekommst du für ein paar Pfennige pro Buch. Mit dem Geld da«, Stave deutet auf die Scheine, »kannst du dir eine ganze Bibliothek leisten.«
»Aber deinen Schuhschrank wirst du damit nicht so schnell füllen.«
»Wie meinst du das?«
»Gehst du heute noch mal in die Stadt?«
»Ja, zum Goldbekplatz. Dienstlich.«
»Mach einen Umweg über die Mönkebergstraße. Sieh dir die Geschäfte an.«
»Es ist Sonntag. Kein Laden hat
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