Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)
Fünf-Pfennig-Scheine, zusammengehalten von einer Büroklammer.
»Sie sitzen ja an der Quelle«, brummt Stave und betrachtet die Scheine.
»Ich habe heute Morgen mein Kopfgeld abgeholt, wie jeder andere auch«, verteidigt sich Flasch.
»Jeder hat vier Fünf-Pfennig-Scheine bekommen, nicht zwölf.«
»Ich habe schon etwas gekauft und Wechselgeld erhalten.«
Der Oberinspektor hält eine Note ins Licht. Grüngelbe Farbe. Das Muster leicht verschoben. Er zieht seine Brieftasche hervor und holt einen Fünf-Pfennig-Schein heraus. Dieselbe Farbe. Das Muster nicht verschoben. Flasch lässt die Schultern hängen und blickt auf den schmutzigen Boden. »Sie sind mir eine Erklärung schuldig«, sagt der Oberinspektor.
»Wie sind Sie mir überhaupt auf die Schliche gekommen?«
»Das war nicht gerade schwer. Nach ein paar Hinweisen war ich ziemlich sicher, dass die Geldscheine keine Blüten sind, sondern echte Banknoten. Das neue Geld. Wer kann schon vor dem Tag der Währungsreform an solche Scheine kommen? Ein Alliierter? Aber der würde die Noten kaum auf dem Schwarzmarkt verschanzen, was hätte jemand, der in Britischen Pfund bezahlt wird, schon dabei zu gewinnen? Also ein Deutscher. Bleibt eigentlich nur jemand von der Landeszentralbank übrig. Die Scheine tauchten zuerst auf dem Goldbekplatz auf. Sie trieben sich auf dem Goldbekplatz herum. Es war absurd einfach.«
»Ich war bloß zufällig an dem Tag da.«
»Sie haben mich vor dem Händler gewarnt, der giftiges Torpedoöl als Bratöl verkauft hat. Das weiß man nur, wenn man sich ziemlich oft hier herumtreibt.«
»Es lohnt sich nicht, hilfsbereit zu sein«, murmelt Flasch resigniert.
Stave schüttelt den Kopf. »Hätten Sie geschwiegen, wären Sie auch nicht davongekommen.«
»Warum haben Sie mich dann nicht früher verhaftet?«
»Weil ich zwei Dinge nicht verstehe und ich dachte, dass ich die erst klären muss, bevor ich zuschlage. Aber jetzt, da das neue Geld da ist, muss ich Sie festnehmen und verstehe immer noch das Wesentliche nicht: Warum haben Sie diese Scheine vor dem Tag X verkauft? Hätten Sie bis heute gewartet, dann hätte Ihnen niemand etwas nachweisen können. Und warum riskieren Sie so viel mit Pfennig-Noten und nicht mit Markscheinen?«
Flasch macht ein gequältes Gesicht. »Ich wollte den richtigen Moment abpassen«, gesteht er. »Als das Geld in den Holzkisten bei uns in der Landeszentralbank ankam, da haben wir die Scheine bündelweise gestapelt. Dabei ist uns ziemlich schnell aufgefallen, dass einige Fünf- und Zehn-Pfennig-Scheine Fehldrucke sind. Sie haben es gerade selbst gesehen: Farbe und Muster sind nicht ganz deckungsgleich. Das passiert immer wieder, das war schon bei der alten Reichsmark so, bei neuen Serien ist das noch viel häufiger der Fall, bis die Druckstöcke endlich richtig eingerichtet sind. Solche Fehldrucke kommen in die Trommel.«
»Die Trommel?«
»Eine Art Papiermühle. Die Feldrucke werden zerkleinert, bis das Papier fast wie Mehl ist. Zwei Kollegen bedienen die Trommel, werfen Geldbündel hinein, überwachen den Vorgang, bis nur noch Fetzen übrig sind. Diese Trommel sieht ungefähr so aus wie eine Waschmaschine. Allerdings ist sie oben offen. Sie können hineinsehen, während die Scheine zermahlen werden.«
»Und nicht nur hineinsehen – Sie können auch hineinfassen«, sagt Stave, dem langsam einiges klar wird.
»Deshalb sind wir ja stets zu zweit. Einer überwacht den anderen. Aber mein Kollege war erkältet. Er hat gehustet und sich einmal kräftig die Nase geschnäuzt und dabei abgewendet. Nur ein, zwei Sekunden lang. Da habe ich in die Trommel gegriffen und herausgeholt, was ich noch zu packen bekam.«
»Wie viele Scheine?«
»Acht Zehn-Pfennig-Scheine. Etwa zwanzig Fünfer.«
Der Oberinspektor schließt die Augen und zwingt sich, nicht zu lachen. Die ganze Aufregung für ein paar lächerliche Pfennigscheine!
»Ich habe die Scheine in den Hosenbund gestopft«, fährt der Bankmitarbeiter fort, »und bis zum Dienstschluss gewartet. Und dann bin ich auf den Goldbekplatz gegangen, da habe ich schon öfter Geschäfte gemacht. Legale Geschäfte.«
»Nichts auf dem Schwarzmarkt ist legal«, kommentiert Ruge.
Stave sagt dazu besser nichts, sondern blickt den Verhafteten an. »Aber gerade Sie wussten doch, dass die Währungsreform jetzt kommt. Warum haben Sie nicht die paar Tage noch gewartet? Warum wollten Sie die Noten sofort wieder verschanzen?«
»Ich habe doch Frau und Kinder!«, jammert Flasch.
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