Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
Vom Netzwerk:
es sich in Hormins Sessel bequem und nahm einen vergoldeten Füllfederhalter, der neben ihm auf dem Tisch gelegen hatte in die Hand. Er nahm die Kappe ab, schüttelte mehrere Schreibfedern aus Schilfrohr heraus und legte sie an ihren Platz zurück. Er drehte den Federhalter in der Hand, als der Türsteher Selket, die Frau des Hormin ankündigte.
    Ihrem Äußeren nach mußte sie – wie auch ihr Mann es gewesen war – mittleren Alters sein. Ihre Oberarme waren schlaff wie leere Gerstensäcke, und ihre Haut war so rissig und trocken wie altes Holz, das man in der Wüste zurückgelassen hatte. Ohne sie danach gefragt zu haben, wußte Meren, daß diese Frau ihre Jugend damit verbracht hatte, in Sonne und Hitze zu arbeiten. Sie stand vor ihm, und ihre Augen hefteten sich auf die Papyrusblätter, die auf dem Boden zu ihren Füßen verstreut lagen. Meren erteilte ihr die Erlaubnis, sich zu setzen, und die Frau nahm auf einem Hocker Platz.
    »Nehmt bitte meine Beileidsbekundungen angesichts des Todes Eures Mannes entgegen, werte Frau. Ich bin hier, um den Mörder zu finden.«
    Selkets Gesichtsausdruck war so leer gewesen, als ob sie geradewegs auf eine Hauswand gestarrt hätte. Als sie seine Worte vernahm, öffnete sie den Mund, und eine Flut gehässiger Bemerkungen stieg daraus hervor.
    »Sie war es. Sie hat ihn wegen seines Reichtums umgebracht, oder um ihre eigene Verworfenheit zu verbergen. Sie schläft mit jedem gutaussehenden Mann, der ihr unter die Augen tritt, wißt Ihr. Mein Mann muß ihr auf die Schliche gekommen sein.« Selkets deutete mit einer Geste auf den in Unordnung geratenen Raum. »Oder vielleicht hat sie ihn auch umgebracht, weil er sie dabei ertappte, wie sie in seinem Büro stahl.«
    »Wer?«
    »Beltis, Herr. Diese Kreatur, die versucht hat, Euch mit dem Gewürztopf zu verletzen. Sie ist die – sie war die Konkubine meines Mannes.«
    Dies war der Grund, warum Meren die Gabe des Zuhörens kultivierte. Er erinnerte sich an die Ermahnung des weisen Ptahhotep, der riet, nicht dem Gerede eines Menschen zu horchen, in dessen Innern es vor Zorn brodelte. Er hingegen hatte herausgefunden, daß es häufig gerade zur Entdeckung der Wahrheit führte, wenn man einem zornigen Menschen zuhörte.
    Meren legte den Federhalter auf den Tisch zurück und betrachtete Selket. »Ihr behauptet also zu wissen, daß das Mädchen Euren Gatten getötet hat? Ihr werdet damit vor den königlichen Rat treten und Zeugnis ablegen?«
    Selket hob zu sprechen an, schloß dann aber wieder den Mund. Mit zusammengepreßten Lippen schüttelte sie den Kopf. Meren zog eine Augenbraue hoch, gab jedoch keinen Kommentar von sich. Sie war nicht bereit, die Strafe zu riskieren, die auf sie wartete, wenn sie falsches Zeugnis ablegte, doch ihre Weigerung mußte nicht unbedingt darauf zurückzuführen sein, daß sie die Unwahrheit sprach. Immerhin lief sie Gefahr, geprügelt zu werden oder drei Tage lang hungern zu müssen oder sogar die Todesstrafe zu erleiden, wenn sie einen Meineid beging.
    »Wie verlief der letzte Tag Eures Gatten?« fragte Meren.
    »Wie die meisten Tage«, antwortete Selket. »Er stand auf. Von ihrem Bett. Und er nahm hier sein Frühstück zu sich. Dann kam sie herein, während ich ihn bediente, und verlangte Schmuck.« Jedesmal, wenn Selket über die Konkubine ihres Mannes sprach, zischte sie das Wort ›sie‹ hervor, als ob es nach Kot schmeckte. »Sie beklagte sich ständig, daß sie keine Juwelen besaß oder nicht genug Gewänder oder Perücken oder Kosmetika.«
    Während er Selket zuhörte, wurde Meren sich seines eigenen vagen Unbehagens bewußt. Zuerst konnte er sich dieses unangenehme Gefühl nicht erklären, aber dann bemerkte er, daß die Stimmung dieser Frau, die da zu ihm sprach, innerhalb eines Herzschlags von rasender Wut zu Selbstzufriedenheit und wieder zu Wut wechselte. Als sie von Beltis gesprochen hatte, hatten ihre Augen den Ausdruck einer tollwütigen Hyäne angenommen, doch einen Augenblick zuvor hatte sie von Hormin gesprochen und ihre Stimme hatte einen sanften und lieblichen Klang gehabt.
    »Und nachdem er gespeist hatte, ging Euer Gatte in das Amt des Ministeriums für Aufzeichnungen und Tributzahlungen«, sagte Meren. »Er sprach mit niemandem sonst, bevor er das Haus verließ?«
    Selket atmete schwer vor Zorn. Plötzlich lächelte sie. »Nur mit mir, über das Haus und über unsere Söhne. Sie mieden ihn, weil er immer noch etwas zornig auf sie war. Imsety, mein Ältester, wünschte sich unseren

Weitere Kostenlose Bücher