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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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freigelegt. Allerdings machten im Dorf Pawtuxet, ungefähr eine Meile flußabwärts, sonderbare Gerüchte die Runde; an dieser Stelle ergießt sich der Fluß in Kaskaden über Felsenterrassen, um dann in die ruhige, von Land umschlossene Bucht einzumünden. Dort, wo von der rustikalen Brücke aus eigentümliche alte Hütten sich den Hügel hinaufzogen und Fischerkähne an ihren verschlafenen Anlegeplätzen vor Anker lagen, erzählte man sich unsicher von Dingen, die den Fluß hinunterschwammen und für eine Minute sichtbar wurden, während sie die Wasserfälle hinunterstürzten. Natürlich ist der Pawtuxet ein langer Fluß, der sich durch viele besiedelte Gegenden schlängelt, in denen es zahlreiche Friedhöfe gibt, und natürlich waren die Regenfälle sehr stark gewesen; aber den Fischersleuten, die in der Nähe der Brücke wohnten, hatte es gar nicht gefallen, wie eines dieser Dinger wild um sich blickte, als es in das ruhige Wasser hinabschoß, oder wie ein anderes halb aufgeschrien hatte, obwohl es den Zustand, in dem Lebewesen noch aufschreien können, schon weit hinter sich gelassen hatte. Auf dieses Gerücht hin begab sich Smith - denn Weeden war gerade auf See - eiligst ans Flußufer hinter dem Bauernhof, wo er denn auch prompt die Spuren eines ausgedehnten Erdeinsturzes entdeckte. Er fand jedoch kein Anzeichen für einen Zugang zum Innern des Steilufers, denn der kleine Erdrutsch hatte einen massiven Wall aus Erdreich und entwurzelten Büschen aufgehäuft. Smith ging so weit, versuchsweise zu graben, gab aber auf, als er keinen Erfolg hatte — oder vielleicht auch deshalb, weil er sich vor einem Erfolg fürchtete. Es ist interessant, sich auszumalen, was der zu allem entschlossene, rachedurstige Weeden unternommen hätte, wäre er zu der Zeit an Land gewesen.
    Im Herbst 1770 entschied Weeden, es sei an der Zeit, andere in seine Entdeckungen einzuweihen; denn er hatte eine lange Reihe von Tatsachen, die er miteinander verknüpfen konnte, und einen zweiten Augenzeugen, der den möglichen Vorwurf widerlegen konnte, Eifersucht und Rachedurst hätten seine Phantasie beflügelt. Als erstem wollte er sich dem Kapitän der Enterprise, James Mathewson, anvertrauen, der ihn einerseits gut genug kannte, um nicht an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln, und andererseits genügend Einfluß in der Stadt hatte, um seinerseits ernst genommen zu werden. Die Unterredung fand in einem Zimmer im ersten Stock von Sabins Taverne nahe bei den Kais statt, und Smith war dabei, um praktisch jede Behauptung Weedens zu bestätigen; es war nicht zu übersehen, daß Kapitän Mathewson ungeheuer beeindruckt war. Wie fast jedermann in der Stadt, hegte er selbst einen dunklen Verdacht gegen Joseph Curwen, weshalb es nur dieser Bestätigung und der Aufzählung weiterer Fakten bedurfte, um ihn vollends zu überzeugen. Am Schluß der Zusammenkunft war er sehr ernst und trug den beiden jüngeren Männern absolute Verschwiegenheit auf. Er würde, so sagte er, die Informationen den ungefähr zehn gebildetsten und prominentesten Bürgern von Providence unterbreiten, und zwar jedem einzeln, würde diese Persönlichkeiten um ihre Meinung fragen und ihre Ratschläge befolgen. Verschwiegenheit würde wahrscheinlich in jedem Fall von entscheidender Bedeutung sein, denn dies sei keine Angelegenheit, die man der städtischen Gendarmerie oder der Miliz übertragen könne. Vor allem aber dürfe der erregbare Pöbel nichts davon erfahren, damit sich nicht in diesen ohnehin schon unruhigen Zeiten jener Massenwahn wiederhole, der vor weniger als einem Jahrhundert Curwen aus Salem vertrieben und in diese Stadt gebracht hatte.
    Die richtigen Leute würden seiner Meinung nach sein: Dr. Benjamin West, der durch seine Schrift über den letzten Durchgang der Venus bewiesen habe, daß er ein Gelehrter und scharfsinniger Denker sei; Hochwürden James Manning, der Präsident des Colleges, der gerade erst aus Warren zugezogen war und vorübergehend im neuen Schulhaus an der King Street wohnte, bis sein eigenes Haus über der Presbyterian Lane fertig sein würde; der Exgouverneur Stephen Hopkins, der Mitglied der Philosophischen Gesellschaft von Newport gewesen sei und einen weiten geistigen Horizont habe; John Carter, der Herausgeber der Gazette; die vier Brüder Brown - John, Joseph, Nicholas und Moses - die anerkanntermaßen einflußreichsten Bürger der Stadt, von denen einer, Joseph, außerdem noch ein fähiger Amateurwissenschaftler sei; der alte Dr. Jabez Bowen,

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