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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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skeptischen Nervenärzte allesamt zur Teilnahme an einer' gründlichen und systematischeren Durchsuchung des Kellers würde bewegen können. Er mußte noch das geheime Laboratorium ausfindig machen, weshalb er den Koffer in dem erleuchteten Raum zurückließ und sich wieder in den übelriechenden, finstren Korridor hinaus begab, dessen Gewölbe unaufhörlich von jenem gräßlichen, dumpfen Geheul widerhallten. Die nächsten paar Räume, die er inspizierte, waren alle leer oder enthielten nichts als vermodernde Kisten und ominöse Bleisärge, aber sie vermittelten ihm einen eindrucksvollen Begriff vom Umfang derursprünglichen Aktivitäten Joseph Curwens. Er dachte an die Sklaven und Seeleute, die verschwunden, an die Gräber, die in allen Teilen der Welt geplündert worden waren, und daran, was die Männer bei jener letzten Razzia gesehen haben mußten; und dann entschied er, daß es am besten sei, nicht mehr daran zu denken. Einmal führte zu seiner Rechten eine große Steintreppe nach oben, und er folgerte, daß es sich dabei um den Zugang zu einem der Curwenschen Nebengebäude handeln mußte — vielleicht dem berühmten Steinbunker mit den schlitzartigen Fenstern -, falls die Treppe, die er hinabgestiegen war, sich damals unter dem spitzgiebligen Bauernhaus befunden hatte. Plötzlich schienen vor ihm die Wände auseinanderzufallen, und der Gestank und das Geheul wurden stärker. Willett sah, daß er in einem riesigen offenen Raum angelangt war, von so gewaltigen Ausmaßen, daß das Licht seiner Taschenlampe ihn nicht zu erhellen vermochte, und im Weitergehen traf er hin und wieder auf massive Säulen, die das Deckengewölbe trugen.
    Nach einer Weile erreichte er einen Kreis von Säulen, die wie die Monolithen von Stonehenge angeordnet waren, mit einem großen, aus Stein gehauenen Altar auf einem Sockel mit drei Stufen im Mittelpunkt; die gemeißelten Reliefs auf diesem Altar waren so sonderbar, daß er nähertrat, um sie im Schein der Taschenlampe zu studieren. Doch als er sah, was sie darstellten, prallte er schaudernd zurück und nahm sich nicht mehr die Zeit, die dunklen Flecken zu untersuchen, die die Altarplatte verunzierten und sich an mehreren Stellen in dünnen Linien die Seiten hinab ausgebreitet hatten. Statt dessen suchte er den Weg bis zur jenseitigen Wand und folgte ihrem gigantischen Rund, das durchbrochen war von gelegentlichen schwarzen Türöffnungen und Myriaden flacher Zellen mit Eisengittern und Hand- und Fußschellen an Ketten, die an den Steinen der konkav gemauerten Rückwände befestigt waren. Diese Zellen waren leer, doch der schreckliche Geruch und das elende Gestöhn dauerten immer noch an, hartnäckiger als je zuvor, und anscheinend von Zeit zu Zeit von einem dumpfglitschigen Fallgeräusch begleitet.
    Diesen gräßlichen Geruch und diesen unheimlichen Lärm konnte Willett nicht länger aus seinem Bewußtsein verdrängen. Beides war in der großen Säulenhalle deutlicher und schrecklicher als anderswo und erweckte den vagen Eindruck, als käme es von weit unten, selbst in dieser dunklen Welt unterirdischer Geheimnisse. Bevor er einen der schwarzen Bogengänge auf weiter nach unten führende Treppen hin untersuchte, ließ der Doktor den Lichtschein der Taschenlampe über den Steinfußboden gleiten. Er war sehr locker gepflastert, und in unregelmäßigen Abständen entdeckte Willett Platten mit kleinen Löchern in unbestimmter Anordnung, während an einer Stelle eine achtlos umgeworfene, sehr lange Leiter lag. Diese Leiter schien merkwürdigerweise besonders stark mit jenem schrecklichen Geruch behaftet, der alles umfing. Während er langsam umherging, glaubte Willett plötzlich zu bemerken, daß der Geruch wie auch der Lärm direkt über den sonderbar durchlöcherten Platten am stärksten waren, so als seien es klobige Falltüren, die noch weiter hinab in eine andere Region des Entsetzens führten. Er kniete vor einer dieser Platten nieder, rüttelte daran und entdeckte, daß er sie mit größter Anstrengung tatsächlich hochheben konnte. Als die Platte bewegt wurde, verstärkte sich das Gestöhn von unten, und nur unter Zittern und Zagen konnte er sich überwinden, den schweren Stein vollends hochzuheben. Ein unbeschreiblich widerwärtiger Gestank schlug ihm jetzt aus der Tiefe entgegen, und der Kopf drehte sich ihm benommen, während er die Steinplatte beiseite legte und den Strahl der Lampe auf den freigelegten Quadratmeter gähnender Finsternis richtete.
    Wenn er erwartet hatte, eine

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