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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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gemiedenen Sitz alter Lästerungen wiederentdeckt? Und dann der Bungalow und der bärtige Fremde, und der Klatsch, und die Angst. Die endgültige Geistesverwirrung von Charles konnte weder der Vater noch der Doktor zu erklären versuchen, aber sie waren sicher, daß der Geist des Joseph Curwen wieder auf die Erde zurückgekehrt war und seine einstigen morbiden Untaten fortsetzte. Konnte ein Mensch tatsächlich von Dämonen besessen sein? Allen hatte etwas damit zu tun, und die Detektive mußten mehr über diesen Mann herausfinden, dessen Existenz das Leben des jungen Mannes bedrohte. Da die Existenz irgendeiner ungeheuren Krypta unter dem Bungalow praktisch nicht mehr bezweifelt werden konnte, mußte in der Zwischenzeit etwas unternommen werden, um sie zu finden. In Anbetracht der skeptischen Haltung der Nervenärzte beschlossen Willett und Mr. Ward bei ihrer abschließenden Unterredung, gemeinsam eine Untersuchung von beispielloser Gründlichkeit durchzuführen; sie kamen überein, sich am folgenden Morgen am Bungalow zu treffen, ausgerüstet mit Koffern und bestimmten Werkzeugen und Hilfsmitteln für die Suche in dem Gebäude unter der Erde.
    Der Morgen des sechsten April zog klar herauf, und die beiden Männer waren um zehn Uhr vor dem Bungalow zur Stelle. Mr. Ward hatte den Schlüssel, und nachdem er aufgeschlossen hatte, wurden die Räume zunächst einer flüchtigen Musterung unterzogen. Die Unordnung in Dr. Allens Zimmer ließ darauf schließen, daß die Detektive schon dagewesen waren, und es stand zu hoffen, daß sie ein paar Hinweise entdeckt hatten, die sich als brauchbar erweisen würden. Das Wichtigste war natürlich der Keller, in den Dr. Willett und Mr. Ward deshalb unverzüglich hinabstiegen; wieder machten sie den Rundgang, der schon damals in Gegenwart des geistesgestörten jungen Hausherrn ergebnislos verlaufen war. Eine Zeitlang schien alles vergeblich, denn jeder Zoll des Fußbodens und der Steinwände sah so massiv und unverdächtig aus, daß von einer klaffenden Öffnung kaum ein Gedanke sein konnte. Willett überlegte, daß ja der ursprüngliche Keller ohne Wissen um die darunterliegenden Katakomben angelegt worden war und daß deshalb der Einstieg zu dem unterirdischen Gang nur von dem jungen Ward und seinen Gefährten mit modernen Mitteln geschaffen worden sein konnte und an einer Stelle liegen mußte, wo sie nach den uralten Gewölben gesucht hatten, von denen sie auf keinem normalen Wege Kunde erhalten hatten.
    Der Doktor versuchte sich in Charles hineinzuversetzen, um herauszufinden, wie dieser die Sache wohl angepackt hätte, aber diese Methode half ihm auch nicht weiter. Deshalb wechselte er die Taktik und untersuchte mit größter Sorgfalt die gesamten Flächen der unterirdischen Räume, senkrechte und waagrechte, wobei er jeden Quadratzoll abtastete. Bald hatte er fast alles abgesucht, und zum Schluß blieb ihm nur noch die kleine Plattform vor den Waschzubern, die er schon einmal vergebens untersucht hatte. Nun aber probierte er aufjede erdenkliche Weise und mit verdoppeltem Kraftaufwand daran herum und fand schließlich heraus, daß der Oberteil sich tatsächlich um einen Zapfen in der Ecke drehen und horizontal wegschieben ließ. Darunter lag eine glatte Betonfläche mit einem eisernen Schachtdeckel, auf den Mr. Ward sofort mit neuerwachtem Eifer losging. Der Deckel ließ sich ohne sonderliche Mühe bewegen, und der Vater hatte ihn kaum hochgehoben, als Willett bemerkte, wie sonderbar er plötzlich aussah. Er schwankte und taumelte benommen, und der Doktor erkannte sogleich, daß die Ursache in dem Schwall giftiger Luft zu suchen sei, der aus dem dunklen Loch emporquoll.
    Einen Augenblick später hatte Willett seinen Begleiter nach oben gebracht und versuchte, mit kaltem Wasser seine Lebensgeister zu wecken. Mr. Ward reagierte schwach, aber es war zu sehen, daß der Pesthauch aus der memphischen Krypta ihm arg zugesetzt hatte. Da er nichts riskieren wollte, hastete Willett hinaus, um auf der Broad Street ein Taxi anzuhalten, und bald darauf befand sich der Patient trotz seiner schwachen Proteste auf dem Heimweg; sodann holte Willett eine Taschenlampe hervor, bedeckte seine Nase mit einem sterilen Gazebausch und stieg abermals in den Keller hinunter, um in die neuentdeckten Tiefen hinabzuspähen. Der faulig riechende Luftstrom hatte jetzt etwas nachgelassen, und Willett konnte einen Lichtstrahl in das stygische Loch hinabschicken. Er sah, daß es bis in eine Tiefe von ungefähr zehn

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