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Der Fall Demjanjuk

Der Fall Demjanjuk

Titel: Der Fall Demjanjuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Wefing
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schlichten Reihenhaus. Weiße Putzfassade, dunkelbraune Glasgittertür. Dort, wo die Architekten das Wohnzimmer vorgesehen haben, hat Busch sein Büro eingerichtet: Ein wuchtiger Schreibtisch beherrscht den Raum, ein Laptop steht darauf, ein schnurloses Telefon, Türme von beigefarbenen Aktendeckeln, fast alle zum Fall Demjanjuk. Die dunkle Schrankwand füllen Fachbücher und Familienfotos, daneben wachsen ein paar Grünpflanzen, und über allem wachen zehn Bronzestatuen der Justitia, große und kleine. Vor dem Fenster liegt eine ungenutzte Terrasse, und dahinter erstreckt sich Rasen bis zum nächsten Reihenhausgarten. Flugzeuge im Landeanflug auf Düsseldorf kleben am Himmel.
    Es ist die Kanzlei eines Vorstadtanwalts, den es auf die große Bühne der Weltgeschichte verschlagen hat. Zwei Sekretärinnen beschäftigt er, die ihre Schreibtische im ersten Stock stehen haben, häufig kommt auch Buschs Frau vorbei, Vera Kostiuk-Busch. Platz für Partner ist nicht vorgesehen. Busch füllt diese Reihenhausscheibe ganz allein mit seiner Körpergröße und seiner kräftigen Stimme. Busch ist ein Riese, 1,98 Meter groß, graue Haare, grauer Bart. Er trägt ein offenes Hemd, um den Hals blitzt eine Goldkette. Wenn Busch seine Beine unter dem Schreibtisch ausstreckt, schauen die Füße am anderen Ende wieder heraus. Er ist ein Einzelkämpfer. «Ich glaube, ich bin nicht teamfähig», hat ihn der «Focus» einmal in einem Porträt zitiert.
    Der Fall Demjanjuk ist der größte und zweifellos spektakulärste in Buschs Karriere. Der Anwalt aus Ratingen hat schon Mörder verteidigt, kleine und große Kriminelle, auch in politisch brisanten Fällen. Zusammen mit dem ehemaligen hessischen Justizminister Rupert von Plottnitz etwa vertrat Busch vor vielen Jahren Norbert Kröcher, einen RAF-Sympathisanten, den Ehemann der RAF-Terroristin Gabriele Kröcher-Tiedemann. 2006 gewann Busch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg einen Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland, sein wohl größter Erfolg bislang. Polizei und Staatsanwaltschaft wurde verboten, Drogenhändlern zwangsweise Brechmittel einzuflößen, um Rauschgiftpakete aufzuspüren, die die Verdächtigen verschluckt hatten. In Bremen und Hamburg waren zwei Dealer nach der Zwangsmedikation gestorben. Der Staat musste an Buschs Mandanten 10.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. «13 Jahre hat der Prozess in Straßburg gedauert», sagt Busch, und es liegt Stolz in seiner Stimme. So lange werde es diesmal nicht dauern, räumt er ein. Aber die Botschaft ist klar: Rechnet mit mir. Ich lasse nicht locker.
    Und hartnäckig ist Busch allemal. Hartnäckig bis zur Penetranz. Vom ersten Prozesstag an hat er das Gericht mit Anträgen überschüttet, wieder und wieder hat er die Richter und Staatsanwälte wegen Befangenheit abgelehnt, mit häufig gleichlautenden oder kaum variierten Argumenten. Erfolg hatte kein Einziger der Anträge, das Gericht hat sie allesamt abgelehnt – sie seien unbegründet, unzulässig oder bedeutungslos. Einmal hat sich der Vorsitzende Richter sogar zu der Bemerkung hinreißen lassen, er ziehe es vor, wenn Demjanjuks anderer Pflichtverteidiger, Günther Maull, die Anträge stelle – die seien immerhin verständlich.
    Aber all das hat Busch nicht gebremst, eher im Gegenteil. Wer den Anwalt beobachtet, wer mit ihm spricht, gewinnt rasch den Eindruck, er sehe sich in der Rolle des einsamen Streiters. Ganz auf sich gestellt in einem fast aussichtslosen Kampf gegen böse Mächte. Demjanjuk ist für ihn ein Opfer. Ein Opfer der Justiz. Ein Opfer der Medien. Ein Opfer des Schicksals: Der sowjetische Geheimdienst habe ihn mit einer Lügenkampagne zu zerstören versucht; die US-Behörden hätten einen «internationalen Justizkomplott» gegen Demjanjuk angezettelt; und die Deutschen suchten von ihrer eigenen Schuld abzulenken, indem sieosteuropäische Henkersknechte in Mithaftung nehmen für den Holocaust. Demjanjuk, der Sündenbock der ganzen Welt.

    Ulrich Busch am 13. Januar 2010 im Verhandlungssaal im Münchner Landgericht. Im Hintergrund der Pflichtverteidiger Günther Maull
    Busch ist überzeugt, das Urteil gegen seinen Mandanten habe von Anfang an festgestanden: «Der Prozess ist eigentlich entschieden worden, als Demjanjuk im Flugzeug saß», sagt er. «Als ich gehört habe, heute Morgen ist er abgeflogen, da habe ich zu meiner Frau gesagt: Jetzt ist er verurteilt.»
    Vielleicht auch deshalb hat sich Busch für den Fall Demjanjuk ein

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