Der Fall Demjanjuk
Und weiter: «Ich kann Demjanjuk nicht mehr ansehen. Ich wende mich ab. Es ekelt mich an.»
Busch ist empört über solche Kommentare: «Wenn ich diese Sprüche höre, dann frage ich mich: Wer provoziert denn hier?»
Auch die links-alternative «tageszeitung» nannte Demjanjuk einen «Nazischergen» und «Handlanger des Todes»; in der «Harald-Schmidt-Show» in der ARD gab es einmal einen Sketch mit einem tanzenden Rollstuhlfahrer, Titel: «The Dancing Demjanjuk». Und selbst eine anerkannte Historikerin wie Angelika Benz schrieb schon 2009, vor Prozessbeginn, ohne jedes Fragezeichen, ohne jede Relativierung davon, dass Demjanjuk als Trawniki in Sobibor gewesen sei.
Aber Busch hat auch wenig unternommen, um den Medien seine Sicht der Dinge darzulegen. Er hat keine erkennbare Strategie für den Umgang mit der Presse. Er hat niemanden, der ihm Kontakte zu Journalisten vermittelt oder ihn wenigstens berät. Das ist in einem Fall wie diesem keine Kleinigkeit. Spektakuläre Prozesse sind immer auch ein Kampf um die öffentliche Meinung. Der Wettervorhersager Jörg Kachelmann etwa beschäftigte während seines Vergewaltigungsprozesses einen eigenen Medienanwalt, der gegen missliebige Berichte in der Presse und im Fernsehen vorging. In manchen großen Wirtschaftsprozessen werden die Journalisten von den Anwälten nach jedem Verhandlungstag zum Lunch in teure Hotels eingeladen, um ihnen die Sicht der Verteidigung auf den Stand des Verfahrens nahezubringen. Nichts davon im Fall Demjanjuk, natürlich nicht. Seiner Familie fehlt schlicht das Geld für eine professionelle Pressearbeit.
Aber Busch unternimmt auch nichts, um die Stimmung zu drehen. Im Gegenteil, er poltert gegen Journalisten. Er kippt Interviews, wenn er den Eindruck hat, es werde unfair über seinen Mandanten berichtet. Am 7. August 2010 sagt er in einer Email an die Fernsehjournalistin Verena Nierle vom Bayerischen Rundfunk, die er auch an andere Medien verschickt, ein bereits vereinbartes Gespräch ab: «Sehr geehrte Frau Nierle! Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich meine Zusage auf ein Interview mit dem Bay. Rundfunk zurückziehe. Ich verweise auf den Artikel BR-Online: ‹Der Demjanjuk aus Ingolstadt› vom 6.8.2010. Danach steht zwischenzeitlich für Deutschland der Name Demjanjuk stellvertretend für Nazi-Mörder (…) Diese Auffassung des Bay. Rundfunk ist Rufmord gegenüber der Ukraine und Verleugnung der deutschen Alleinschuld am Holocaust. (…) Diese Geschichtsfälschung veranstalten Sie bitte ohne meine Mitwirkung. (…)
MfG Dr. B»
Die Mail ist kein Ausreißer. Immer wieder versendet Busch solche Nachrichten. Am 5. September 2010 etwa schreibt er in einer Email an verschiedene Journalisten: «Die Nebenklage hat das volle Gehör der Presse, die Verteidigung wird mit absolutem Boykott belegt. (…) Der Fall Demjanjuk ist nicht nur ein Justizskandal, sondern auch ein Presseskandal.»
Für den Zorn mag es Gründe geben, aber klug ist es nicht, ihn soungefiltert zu verströmen. Keine Angebote, den Reportern einmal seine Sicht der Dinge zu erläutern, kein positiver Spin. Dabei kann Busch im persönlichen Umgang, unter vier Augen, durchaus witzig und charmant sein.
Man hätte konzentrierter verteidigen können, auch nuancierter. Warum, zum Beispiel, hat Demjanjuk im Münchner Prozess nie sein Mitgefühl für die Opfer des Holocaust zum Ausdruck gebracht? Warum hat er nicht so etwas wie Respekt für das Leiden der Nebenkläger formuliert, die ersichtlich unter großen seelischen Schmerzen vom Verlust der Eltern oder anderer geliebter Menschen berichtet haben? In Israel hat Demjanjuk solche Gesten der Anteilnahme wenigstens versucht. Was hätte ihn ein solches Wort gekostet? Nichts, aber er hat es nicht über die Lippen gebracht.
Busch immerhin hat einmal, nach der Anhörung der Nebenkläger, von dem «großen Leid» gesprochen, das «Nazi-Deutschland» ihren Angehörigen angetan habe. Aber dann, gleich im nächsten Satz, fügte er hinzu, das Leid, das die Verwandten der Nebenkläger erlitten hätten, stehe «in einer Linie» mit dem Leid, das «Millionen Osteuropäern» zugefügt worden sei. Und als wolle er das Relativierende noch für den letzten Zuhörer deutlich machen, fuhr Busch fort, über «diesen Holocaust», den Mord an den Millionen Osteuropäern, decke die deutsche Justiz den «Mantel des Schweigens». Wenn es Busch wirklich darum gegangen sein sollte, Mitgefühl zu demonstrieren – mit dem Wort vom «zweiten Holocaust» hat
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