Der Fall Demjanjuk
Untersuchungen über das Versagen des OSI bei den amerikanischen Ermittlungen – fehlen deshalb. Für den beschriebenen Zeitraum aber ist Teicholz’ Buch eine Fundgrube für Fakten und Reflexionen, die für mich von großem Wert waren.
Die zweite ausführliche Schilderung des israelischen Prozesses, das Buch «The Demjanjuk Affair. The Rise and Fall of a Show-Trial» (Victor Gollancz, London 1994), stammt von Yoram Sheftel, Demjanjuks führendem Verteidiger in Israel. Es hat den Vorzug, die Ereignisse bis zur Rückkehr seines Mandanten in die Vereinigten Staaten darzustellen. Zugleich ist Sheftels Version der Sache aber in einer Weise parteiisch und egozentrisch, die ihren Wert als Quelle stark einschränkt. Beinahe jede Seite vibriert von dem Triumph und der Eitelkeit eines Mannes, der es allen gezeigt hat – den Richtern und Staatsanwälten, den Kollegen, der Presse, ja der ganzen Welt. Berücksichtigt man diese Einseitigkeit, dann enthält aber auch Sheftels Buch eine Reihe von Informationen und Details, die es für die Darstellung der Vorgänge in Israel aufschlussreich macht.
Eine wesentlich kürzere, stark historisch reflektierte Einordnung des israelischen Prozesses hat der Journalist und Historiker Tom Segev veröffentlicht, der das Verfahren in Jerusalem für mehrere Tageszeitungen beobachtet hatte: «Der Fall ist abgeschlossen, aber nicht vollendet. Der Prozess gegen John Demjanjuk in Jerusalem», veröffentlicht in: Einsicht 02, Bulletin des Fritz Bauer Instituts, Herbst 2009, S. 16–23. Dies ist eine wichtige Studie, die vor allem die Auswirkungen des Scheiterns des israelischen Strafverfahrens für den Umgang mit NS-Kriegsverbrechern in den Blick nimmt (im Netz: http://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/user_upload/uploadsFBI/einsicht/Einsicht-02.pdf) .
Sehr zu Dank verpflichtet bin ich meinen beiden Kolleginnen Alice Bota und Kerstin Kohlenberg von der ZEIT, mit denen ich im Sommer 2009 ein erstes Dossier über den Fall Demjanjuk geschrieben habe: «Iwan der Anpassepr», erschienen am 2. Juli 2009. Die gemeinsamen Recherchen und die vielen Gespräche über den Fall haben nicht nur mein Interesse an dem Prozess und an dem bizarren Schicksal des Angeklagten geweckt, der entstandene Text bot für das weitere Nachdenken auch eine unersetzliche Orientierung.
Über den Prozess in München liegt bislang naturgemäß außer der Presseberichterstattung wenig Material vor. Einen ersten gründlichen Aufriss der juristischen Probleme versucht Cornelius Prittwitz: «Notwendige Ambivalenzen. Anmerkungen zum schwierigen Strafprozess gegen John Demjanjuk», in: Der Strafverteidiger. Heft 11, 2010, S. 648–655. Kritisch zum Verfahren gegen Demjanjuk die Anmerkungen von Günter Bertram, «Die Fragwürdigkeit eines letzten Strafverfahrens», in: Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins, Nr. 2/2009 vom 15. Juni 2009, S. 28–31.
Neben diesen Überblicksdarstellungen habe ich mich auf eine Reihe von Veröffentlichungen gestützt, die hier in der Reihenfolge der Erwähnung im Buch genannt und, wenn nötig, kurz erläutert werden sollen.
Wer ist John Demjanuk?
Die Studie über die Zahl der NS-Prozesse stammt von dem Münchner Historiker Andreas Eichmüller: «Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden seit 1945. Eine Zahlenbilanz», in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2008, Seite 621ff.
Zitiert werden zudem Norbert Frei: «Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit» (C.H.Beck, München 1997), sowie der Leitartikel «Schuld, die nie verjährt» von Josef Joffe, erschienen in der ZEIT Nr. 21 vom 14. Mai 2009. Die Literatur zur Rolle der Justiz im NS-Staat und in der jungen Bundesrepublik ist mittlerweile kaum mehr zu übersehen. Erwähnt seien nur Michael Stolleis: «Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Band III. 1914–1945» (C.H.Beck, München 1999); Bernd Rüthers: «Entartetes Recht. Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich» (dtv, Frankfurt 1994); Adalbert Rückerl: «NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung» (2. Auflage, C. F. Müller, Karlsruhe 1984); Kerstin Freudiger: «Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen» (Mohr Siebeck, Tübingen 2002). Eine einzigartige Übersicht über den Umgang der Nachkriegsjustiz mit den NS-Verbrechen bietet Christiaan Frederik Rüter (Hrsg.): «Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen
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