Der Fall der Feste
Feuerstoßes gefror die tumultöse Szenerie der Kämpfe für einen Augenblick. Das Gewimmel der Gestalten wurde schlagartig in hartem, grellen, gelben Licht gezeichnet.
Zwei Blicke bohren sich in den von Auric.
Der eine ist der aus Jags beiden Augen, die ihn aus dem Knäuel Kämpfender um den Homunkulus herum fixieren, zu Aurics Brust herabgleiten, wobei sein Mund Worte formt, die Auric weder hören noch von seinen Lippen lesen kann. Seine Miene jedoch zeigt dabei einen Ausdruck schierer grenzenloser Verblüffung.
Der andere Blick kommt aus drei Augen – einem kreisrunden, großen, zwei perlengleich kleinen – und ist der des Homunkulus selber. Das Maul öffnet sich, heraus kommen Worte, doch diese dagegen sind so laut, dass Auric sie hört. Und versteht.
„Valgare!“, brüllt der Homunkulus. „Schwarzer! Diesmal kommst du hier nicht lebend raus. Diesmal nicht!“ Und dann prescht er vor und brüllt, „Inaim ist bei mir!“ Und Auric erkennt die Stimme, auch wenn sie durch den groben Stimmapparat im Körper einer tierhaften Kampfkreatur verzerrt ist. Es ist eine Stimme aus dem Geisterreich, aus dem Land der Toten. Aus dem Schattenreich derer, die Auric getötet hatte.
Der Schock eines eiskalten Grauens durchfährt Auric. Zwei Fechtspeere. Der Fechtspeer war schon immer seine Lieblingswaffe gewesen.
Er hört den Satz, den die Kreatur gebrüllt hat, in seinem Inneren widerhallen – „Diesmal kommst du hier nicht lebend raus.“ –, und er spürt dessen Wahrheit ihn ins Mark treffen. Er weiß mit einem Mal, dass sie diesmal tatsächlich zu tief in das Innere eines uralten Baus der Kinphaurenrasse geraten sind, der Verbündeten seines Volkes in den Späten Feuerkriegen, zu tief in den Hort uralter Geheimnisse und Techniken, zu nah dem verderblichen Miasma von Wächtern und Mahrgeistern gekommen sind, dass sie nur noch auf einige wenige Überlebende zusammengeschrumpft sind, die sich noch gegen die Macht der Nichtmenschen stemmen, dass es diesmal kaum eine Chance für sie gibt, der uralten Düsternis dieser Gänge und Kammern zu entkommen und wieder das Licht der Sonne zu sehen.
Dass es fast zu Ende ist.
Einer der Fechtspeere des Homunkulus kreist in tödlichem Bogen, einer aus Jags Truppe sinkt enthauptet zu Boden. Blut spritzt, ein zweiter geht nieder. Der Homunkulus brüllt. Denn schnell wie ein Schatten hat sich eine Gestalt auf seinen Rücken geworfen, bohrt ihm einen langen Dolch zwischen die Schulterblätter. „Du bist es, miese Ratte, die hier nicht mehr rauskommt. Du gehst hier drauf. Du kleiner Drecksack!“, brüllt Jag und dreht den Dolch. Jags Gesicht ist verzerrt von einer Wut, wie Auric sie noch nicht an ihm gesehen hat, nicht im Kampf, nicht bei ihrer Konfrontation in Idirium, als Auric ihn zur Rede gestellt hat und Jag ausgerastet ist. Jag ist alles verzehrende, lodernde Rage, die nichts weiß, die nichts will als diesen kleinen Drecksack killen. Der Homunkulus schreit erneut vor Schmerz, lässt einen der Fechtspeere fallen, greift nach hinten, langt nach dem Peiniger auf seinem Rücken, schlägt aus, erwischt Jag, fegt ihn von sich herunter. Jag prallt in einen seiner Leute, geht mit ihm zu Boden, rappelt sich sofort wieder auf. Kommt hoch mit gezogenem Schwert.
Auric erwacht aus seiner Starre, will dem Homunkulus entgegen stürmen. Ein Blinken, ein Glitzern am Rand seiner Sicht greift sich auf irritierende Weise seine Aufmerksamkeit, zieht seinen Blick herab zu seiner Brust. Dorthin, wohin auch Jag entgeistert geblickt hatte.
Dort schwebt der Valkaersring an straff gespannter Kette, wie von der Kraft eines mächtigen Magneten gezogen, in der Luft. Der Ring, etwas zu groß für einen menschlichen Finger, schwebt parallel vor seinem Brustbein, exakt vor der Mitte seiner Brust, wie ein Emblem, wie eine winzige Aureole. Und in diesem einzigen Augenblickssplitter seiner Wahrnehmung sieht er wieder Jags Lippen vor sich, die Worte formen, als er den Ring vor Aurics Brust erblickt, und Auric kann die Worte von seinen Lippen lesen.
„Leck mich am Arsch“, sagt der Vraigasse beim Anblick des Valkaersrings. Und das, was er unausgesprochen lässt, will auch Auric im Nebelstrudel des Unglaubens und im Moment, wo ihn heiße Notwendigkeit zum Handeln ruft, nicht ergänzen. Der Augenblick zerplatzt.
Mit einem Kampfschrei auf den Lippen, sein Schwert schwingend, das Langmesser in der anderen Hand in Reserve stürzt Auric in den Wirbel um den sich näher wälzenden Homunkulus.
Das
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