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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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verstrickt, war von grellgelbem Feuerschein erfüllt, heller als der Tag.
    Dann ein Fauchen.
    Die Feuerhölle kollabierte. Sie schrumpfte zurück, wieder zu der Flammenwand herab, welche die Breite des Gangs ausfüllte wie schon zuvor.
    Heraus aus der Feuerwand kam der Kyprophraig.  
    Sonst niemand.

    Jag – zuletzt auch Jag.  
    Czand, Crussav, Keiler Drei, Vortig. Alle von ihnen, nacheinander. Den kleinen Kudai hatten sie schon nach dem Krieg in Kvay-Nan verloren, sie hatten es nur nicht gewusst.
    Lange nachdem ihn an diesem Tag seine Zuhörer einer nach dem anderen verlassen hatten, zuletzt auch Darachel, hatte er noch in seinen Räumen gesessen und den Erinnerungen nachgehangen, welche die Erzählung seiner Erlebnisse in ihm hochgewirbelt hatten.
    „Da war noch anderes Wesen“, hörte er eine Stimme neben sich sagen. In seiner Erinnerung sah er neben sich einen jungen Jag, einen noch unerfahrenen Söldner namens Kudai und einen Suevarensöldner, der Crussav genannt wurde, sich über einen Spalt im Boden eines Kinphaurenbauwerkes beugen, durch den ein unheimliches Raubtierwesen ihren Senphoren entführt hatte. Crussav war derjenige, der gesprochen hatte. Umanákhu, der war auch damals bei ihnen gewesen. Sie waren jung gewesen und hatten sich gerade erst kennengelernt. Andere waren später hinzugekommen, als er dann der regulären idirischen Armee beigetreten war. Czand, Keiler Drei, Vortig …
    Ein kleiner Kreis von Gefährten, der ihn bei seiner unwilligen Karriere im idirischen Heer begleitet hatte. Jeder mit seinen eigenen Zielen, seiner eigenen Geschichte und mit seinen eigenen Träumen und Wünschen.
    Es waren ihm schließlich alle in den Untergang gefolgt.  
    Er hatte vom Fenster aus in den Sonnenuntergang über den Ebenen des Zwielichtlandes gestarrt. Ohne dass er es ganz in seinen Gedanken gefangen bemerkt hätte, war das Zimmer um ihn in Dunkelheit versunken. Er zündete auch jetzt kein Licht an, saß nur da und starrte ins dunkle Grau der fremdartigen Räume, die zu seinem Zuhause der letzten Monate geworden waren. Er konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal so lange an einem Ort geblieben war.
    In den ersten Tagen, als er hier erwacht war, nachdem er sich nach dem Auftauchen aus tiefster Schwäche erst einmal seines Daseins versichert hatte, als er geglaubt hatte, es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann er wieder, diesmal endgültig, in der tiefen Dunkelheit zurücksinken würde, war die Trauer ein ständig wiederkehrender Gast gewesen.
    Die Kämpfe waren vorbei, jetzt traten die Verluste vor sein Bewusstsein.
    Einer nach dem anderen kamen sie zu ihm, und ihm war, als würde sich sein Mund mit Asche füllen. Wie eine schwere Wolke sank die Trauer, die ihm der Zwang handeln zu müssen so lange verwehrt hatte, auf ihn nieder.
    Czand, die zupackte und sich keinen Illusionen hingab. Die Dinge klar sah und beim Namen nannte. Die ihrem Dasein als Prinzessin Ruveria Anczanda von Nyrjezwa entfloh und sich der Armee anschloss. Um in den Bürgerkrieg nach Kvay-Nan zu geraten und jemanden zu finden, mit dem sie die Erinnerungen, die Alpträume und das Lager teilen konnte. Czand, unter Schreien und Leiden und Pein aus der Welt gebrannt. Das hatte sie nicht verdient. Das hatte niemand verdient.
    Jag, Crussav, all die anderen, sie kamen zu ihm und er nahm Abschied von ihnen. Seine Erinnerungen und seine Trauer waren von den Besuchen Darachels und Siganches unterbrochen worden. Und schließlich von den Stunden der Erzählung, als er versuchte, der Wahrheit seines Lebens auf den Grund zu gehen.
    Czand, Jag, Crussav, Vortig, Keiler Drei, all die anderen, alle kamen sie zu ihm, damit er von ihnen Abschied nahm. Alle, bis auf Kudai …

    Heraus aus der Feuerwand kam der Kyprophraig, die langen spinnengleichen Armglieder vor sich auf dem Boden schleifend, ein irrer verkrümmter, gequälter Weidengott. Der Pfeil stak noch immer in seinem Auge am Ende des dem Schädel entwachsenden Fortsatzes.
    Die vor der Feuersbrunst geflohenen Kombattanten, ob Nichtmensch oder Mensch, sahen die monströse Kreatur und hielten inne.
    Die Krallen und Scheren, die seinen Halsbereich umgaben klackerten in einem manischen Rhythmus. Der Kopf mit seinen Augenfortsätzen an seinem Ende knickte zur Seite, knickte zur anderen Seite, immer orientierungslos hin und her, dann hielt er inne, bog sich wie in Zeitlupe in den Nacken. Das Maul öffnete sich zu einem zähnestarrenden Schlot. Einen Moment erstarrte so die Gestalt – während

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