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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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zusammengestelltes, irreguläres Sammelsurium, doch die Bewegungen ihrer Klingen glichen denen eines einzigen vielgliedrigen Organismus.  
    An ihrer Spitze erkannte er Nefraku.  
    Diese Überlebenden der Sechzehnten, die Nefraku in den Gängen um sich gesammelt hatte, waren mitgenommen, sie waren gebeutelt und nur noch ausgemergelte Schattenbilder der Soldaten jener Armee, die vor nicht so langer Zeit in die idirische Provinz Norgond eingezogen war, um einen Feldzug gegen räuberische Valgarenstämme zu führen. Die Glorie ihres Ruhms war zerbrochen worden, von einer Armee konnte danach nicht mehr die Rede sein: Sie waren zu Guerillas geworden und hatten die verzweifelten Taktiken von Guerillas angenommen. Ihr Kampf war ohne Aussicht auf Sieg gewesen, dennoch hatten sie ihn geführt. Sie waren in dieser Feste in eine Falle geraten und von nichtmenschlichen und anderen furchtbaren, übernatürlichen Feinden dezimiert worden. Doch jetzt besannen sie sich noch einmal auf ihre Stärke, auf das, was sie in hartem, langwierigen Training erarbeitet hatten: das perfekte Zusammenspiel einer Kleingruppe. Dennoch waren sie nur ein einziger Angriffskeil gegen eine komplette Abteilung von Kinphauren, die neu am Kampfort eingetroffen war, frisch an Kräften und nicht wie sie selber von langen Kämpfen zermürbt.
    Auric selbst focht mit einer erneuerten Kraft, die ihm jenseits aller Wunden, jenseits aller Entkräftung zugeflossen war. Bei jedem Hieb, bei jedem Stich, bei jeder Riposte war ihm dennoch in der Tiefe seines Bewusstseins deutlich, dass dies ein letzter Kampf sein musste, dass sie gegen eine letztlich unbesiegbare Übermacht standen.
    Es kümmerte ihn nicht. Es hinderte ihn nicht, von der Welle der Kraft getragen, die seinem neuen Einssein erwuchs, tiefer in die Masse seiner Feinde zu fahren, sich brüllend gegen ihre Brandung zu stemmen. Schläge, die ihn trafen, die ihn umher warfen, er spürte sie kaum. Das kehlige Brüllen, das sich in seiner Kehle sammelte, steigerte sich zu dem rasenden, irren, wie eine Fräse aus Eis die Welt durchpflügenden Valgarenschrei. Er war in einem Mahlstrom scharfer Klingen, wirbelnder, taumelnder Körper, Blut, Schreien, Fluchen, Keuchen. – Nicht irgendwo in Dunkelheit verrecken. – Er und seine Feinde – ihre Klingen folgten dem Gesetz einer tobenden, stählernen, webenden Wellenhölle. Wille und darauf folgende Bewegung schienen an einen anderen profaneren Ort verbannt. Er war im Zentrum eines Hagelprasselns wilder Naturkräfte. Stahl biss ihn, und sein Blut floss. Er tanzte in wirbelnden Kreisen den Tanz seines Todes.
    In all dem fühlte Auric plötzlich einen jähen Widerstand.  
    Etwas traf ihn. Etwas warf ihn zurück. Mit schwerem Druck, mit lastender Präsenz.
    Etwas richtete seine Aufmerksamkeit auf ihn.

    „Ich weiß bis heute nicht, was damals wirklich passiert ist.
    Es muss tatsächlich so etwas wie eine Verwandlung mit mir vorgegangen sein. Obwohl das schwer zu glauben ist.“
    Auric sah von seinen Händen auf, die er knetete und miteinander verschränkte, und blickte in Darachels Gesicht. Er traf erneut den offenen, ungerührten Blick des Ninra. Die ungetrübte Neugier darin ließ ihn befangen wieder zum Spiel seiner Hände zurückkehren.
    „Jedenfalls war es für mich damals schwer zu glauben.“ Er schnaubte kurz und trocken in sich hinein.
    „Mein ganzes Leben hatte ich mich über Letzten Valkaersring und Valkaersringe lustig gemacht, und jetzt tat dieses Ding, das ich …“, – er gestikulierte verloren in der Luft – „aus welchen Gründen auch immer um meinen Hals trug, etwas mit mir, das so tiefgreifend und nicht wegzuleugnen war.
    Das war es, was auch Jag gemeint hatte, als er mich so verdutzt angestarrt hatte und seine Lippen Worte geformt hatten, deren Sinn ich zunächst nicht verstand. ‚Leck mich am Arsch.‘ Was so viel hieß wie: ‚Verdammt, es ist tatsächlich wahr.‘ Auch Jag hatte es nicht glauben können.
    Er war es: Ich trug den echten Letzten Valkaersring. Es war kein Mythos, es war keine Legende, kein abergläubisches Hirngespinst. Es gab ihn tatsächlich, und ich trug ihn. Nicht nur, dass es ihn gab: Gegen jede Wahrscheinlichkeit, war meiner der echte. Alle anderen waren Fälschungen. Ich habe mich immer darüber lustig gemacht, ich habe Unrecht gehabt.  
    So unglaublich es war, mein Vater hatte tatsächlich den einen, den echten Ring besessen. Seiner war keine Fälschung gewesen, alle anderen waren es.“ Auric ließ seine Worte

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