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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Schmerz ist irrelevant. Er fühlt ihn, aber er versteht ihn nicht. Doch er versteht jetzt die Frage, die an ihn erging, weil er jenseits des Konzepts von Worten getreten ist. Dies hier ist seine Antwort, und sie ist in wirbelnden Körpern und Stahl und Blut und Schreien geschrieben. Hiebe treffen seinen Kettenschutz, seine Panzerung, einige treffen gut, fügen ihm Wunden zu, zerfetzen und brechen Metall und Leder. Da seine Gegner viele sind, kann es nicht anders sein. Etwas Wesenhaftes hat sich erhoben und ist vor ihn getreten in all dem Tumult und Blut und Morden. Es sieht ihn an.
    Du bist es, sagt es in der Sprache, die jenseits des Konzepts von Worten ist. Du bist es. Wir sind eins.
    Die rote Faust lässt ihre Korona im Puls ihres Herzschlags durch seinen Körper fahren und lässt ihn beben vor Kraft, dass es ihn fast schmerzt, dass er sie irgendwohin entladen muss. Ein kalter Ring von Metall liegt auf seiner Brust. Weißer Ring und rote Faust erheben sich in dem Wesenhaften, das vor ihn getreten ist, zu einer Übereinstimmung, deren Strahlenkranz den Raum verschlingen will. Rote Faust und weiß strahlender Ring kommen in flimmernder Gloriole zu einer Eklipse, in der ein tiefer Jubel liegt.
    Der Letzte Valkaersring erkannte ihn.

    „Nein.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Das war es nicht.“
    Sein Blick streifte Darachels Gesicht, sah Ernsthaftigkeit und tiefe Aufmerksamkeit darin. Dies war eine der Sitzungen, bei denen er mit dem Ninra, mit dem er am vertrautesten war und der als einziger das gesamte Gewebe seiner Geschichte kannte, allein sein wollte, bei denen kein anderer dabei sein sollte.
    „Das war es jedenfalls nicht allein“, fuhr er auf seine Hände starrend fort. Erinnerungsbilder eines seltsamen Traums, den er vor ein paar Nächten gehabt hatte, flackerten in ihm hoch. „Es war ein Teil dessen was geschah, sicher. Es geschah irgendwo in mir. Aber es war nicht das, was ich, Auric, an der Oberfläche spürte. Es war ein Teil von mir. Aber es war nicht der Teil, der jetzt neben dir sitzt.“ Er hielt inne, ließ die Worte in der Luft hängen. Nein, das war nicht wahr. Natürlich war das genau der Auric gewesen, der jetzt neben Darachel saß und von diesen Ereignissen erzählte. Worte waren unzulänglich. Wie sollte er es erklären, wenn er es selber nicht verstand?
    Indem er es versuchte. Indem er erzählte.
    Die ganze Geschichte bis zur Wahrheit.
    Auch wenn ihm vor dem Erzählten, vor dem Auric, den er erzählte, grauste.
    Vielleicht war die Wahrheit kein Punkt, an den man gelangen konnte, kein Kern, den man ergreifen konnte, sondern ein Gewebe. Vielleicht bestand die Wahrheit aus vielen, aus unzähligen Fäden, und alles zusammen war Eins und nichts davon allein war wahr.
    Vielleicht musste er einen neuen Faden aufnehmen und weben. Vielleicht lag die Wahrheit nicht einmal im Gewebe, sondern im Weben selber.
    Er atmete also durch, nahm einen neuen Faden auf und fuhr fort.

    Es war im dichtesten Kampfgetümmel, dass er spürte, wie etwas mit ihm geschah.  
    Die Kinphauren hatten schnell und heftig angegriffen, und er war von ihnen umringt, kaum dass er eine Waffe in seinen Besitz gebracht hatte, die ihm gewohnter in der Hand lag als zwei Messer, eine Waffe, die ihm auch im Kampf mit einer Anzahl schwertbewaffneter Gegner etwas nützte. Den ersten hatte er schnell niedergehauen, der nächste folgte nach einem ersten abgewehrten Vorstoß, einer schnellen Riposte des zweiten Hiebs. Dann musste er sich nach allen Seiten erwehren.
    Es waren viele Klingen, die ihm das Leben aus dem Leib hauen wollten, und er parierte, stach, hieb, trat wie besessen. Trotzdem trafen ihn Schwerter, trotzdem fetzten sie Kettenschutz weg und bissen in sein Fleisch. Er musste es ertragen, es gab keinen Weg dem Gewimmel zu entkommen. Er fühlte Schmerz – es war der furchtbare Schmerz, der schwere Wunden begleitete, aber seltsamerweise machte es ihm nichts aus. Er würde in kürzester Zeit ohnehin zerhackt werden. Er machte sich keine Illusionen. Ein letzter Kampf gegen eine Übermacht. Etwas Schmerz und Blut und Dreck, und dann war‘s vorbei. So hatte er es schon einmal vorausgesehen. Jetzt trat es ein.
    Schon zu diesem Zeitpunkt war da etwas gewesen, das anders war. Schon da hatte sich untergründiges Begreifen geformt, das sich etwas bei ihm verändert hatte. Doch in der Hitze des Kampfes, war es als selbstverständlich und willkommen angenommen worden, konnte aber nicht wirklich in sein Bewusstsein dringen. Es war wie

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