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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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wie alle anderen – hatte immer gedacht, dass ihr Angriff im Osten stattfinden würde, von den Hängen des Saikranon herab, hinter denen sie zu Hause waren. Was hatten Kinphauren hier im Nordwesten zu suchen? Wie kamen sie hierher? In der ganzen Zeit aufgezeichneter idirischer Geschichte, in den beinahe siebzehnhundert Jahren, hatte es keinen einzigen Angriff der Kinphauren gegeben, der von irgendwo anders kam als aus dem Osten, aus der Richtung ihres Heimatlandes.
    Er führte sich die Karten, die er kannte, vor Augen. Seine verdammte Schwäche in Geographie! Er hatte sie durch das Studium militärischer Karten beseitigen wollen. Die meisten dieser idirischen Karten zeigten natürlich immer nur den Zusammenhang des idirischen Reiches und seiner Provinzen, die größeren Zusammenhänge verlor man dabei aus dem Blick. Idirium war selbstbezogen geworden.
    Vor seiner inneren Schau entstand die breite Barriere des Saikranon, welche den naugarischen Osten der idirischen Provinzen wie ein Saum begrenzte, dann der Bogen der Drachenrücken im Westen, der sich wie die Wirbelsäule eines gewaltigen Tieres zunächst nach Norden krümmte, sich dann aber als nördliche Grenzbarriere Idiriums nach Osten wand. Um irgendwann an die Ausläufer des Saikranon zu stoßen. Diese beiden Gebirgszüge fassten den Norden des idirischen Reiches – ausgenommen die mittelnaugarische Exklave Norgond – wie ein Hufeisen ein.  
    Natürlich, wie konnte er so dumm sein!  
    Um von ihren Ländern um das Kalte Meer jenseits des Saikranon zu den Gebieten nördlich von Norgond zu gelangen, mussten die Kinphauren auf ihrem Weg jenseits der nördlichen Barriere des Saikranon wahrscheinlich sogar eine geringere Entfernung überwinden, als sie die Soldaten seiner Sechzehnten bei ihrer Verlegung aus den Ostprovinzen nach Norgond zurücklegen mussten. Mit Sicherheit konnte man allerdings wenig dazu sagen, denn die Kenntnisse idirischer Geographen waren, was die Gebiete jenseits der Nordflanke der Drachenrücken betraf, äußerst dürftig.  
    Es war zuvor nie geschehen und man hatte nie damit gerechnet. Warum sollten die Kinphauren auch einen solchen Aufwand betreiben, um ein anderes Ende des idirischen Reiches anzugreifen als das dem eigenen Territorium zugewandte? Und gerade ein so zwieträchtiges Volk wie die Kinphauren, die nur schwer zu gemeinsamem koordinierten Handeln gebracht werden konnten.
    Jetzt gab es zumindest für sie einen Grund. Verbündete im Norden, Valgarenstämme, ihre alten Bundesgenossen aus den Feuerkriegen. Weiterhin der gleiche Grund, den es auch für das Szenario einer Bedrohung durch diese Valgaren und eine übergelaufene Sechzehnte gegeben hätte. Um durch Norgond über den Riaudan-Pass direkt ins niedernaugarische Herz des Reiches vorzustoßen. Während …  
    Während was? Was war die Bedrohung im Osten?  
    Seine Gedanken rasten, während er an der Spitze seiner Entourage ebenfalls auf den Sammelplatz der Führungsstandarten zuhielt.
    „Benkart!“, rief er über seine Schulter. „Du veranlasst sofort, dass mehrere berittene Boten über den Riaudan-Passes nach Vanarand losgeschickt werden. Alle mit der gleichen Botschaft über das Nichtmenschenheer. An Heerespräfekt Makuvan. An Präfekt d‘Vhaun. An Konsul Adverian. An die Kutte. Über den ersten Senphoren, den diese Boten irgendwie erreichen können.  
    Idirium muss so schnell wie möglich hiervon erfahren.“

    Die Ebene im Norden brodelte jetzt von der Masse des feindlichen Heeres.
    Es war die größte Armee, die Auric je in seinem Leben gesehen hatte.
    Der Dunst, der wie ein Schleier um den Saum der ersten Höhen gelegen hatte, war langsam wie durch Zauberkraft verflogen. Vielleicht war auch tatsächlich Zauberkraft für sein Entstehen und seine Auflösung verantwortlich gewesen. An seiner Stelle sah man jetzt eine Staubwolke, die über dem Heer aufstieg, als es von jenseits der vorspringenden Klippe des Bukainan in Sicht kam.
    Auric blickte durch sein Fernglas und erkannte an der Spitze große berittene Abteilungen von Kinphauren, zum Teil in Drachenhautrüstungen, die sich in hordengleichen Gruppierungen unter ihren Klanbannern scharten. Hinter ihnen wogten unbestimmbare Massen von Bewaffneten. Man konnte weitere Kontingente von Valgarenstämmen, Suevaren, Prokrythen, Saphatraken erkennen, wahrscheinlich auch andere östliche Stämme; die Valgaren, gegen die sie gerade gekämpft hatten, waren nur ein Teil derer gewesen, welche die Kinphauren unter ihrem Banner

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